«Ich bin da, um euch auseinanderzunehmen»

5. März 2018, Kevin Brühlmann
Ein Lachen «süss wie ­Baklava»: Rapper Megan alias Max Albrecht über sich selbst.

Rapper Megan will den Schaffhauser Thron erobern. Dazu räumt er gross­flächig auf: mit satten Texten, Zigaretten und Normalo-Look. Wir trafen den «besten New­comer» zu einem Whisky. Oder zwei.

 

Er kommt daher wie ein junger Grünliberaler, es fehlte nur noch das Hemd in der Hose, tatsächlich aber ist Megan eine Abrissbirne. Eine wortgewaltige Abrissbirne.

Die erste Zeile seines ersten Mixtapes geht so: «Ich töte dich Missgeburt mit meinem Messer!» Und die letzte Zeile dieses ersten Songs: «Nur damit du weisst, welches Tape bald da oben ist und bleibt, Diggah, meins.»

Lemmy Kilmister, ruhe in Frieden, altes Raubein, würde sagen, das ist mal eine goddamn Ansage, erst recht von einem 22-jährigen Milchgesicht wie Megan.

Doch wer ist der hagere junge Mann mit der Hornbrille, der da grossflächigen Abriss betreiben will, praktisch Planierung? Überhaupt: Trifft er beim Abräumversuch auch? Und wenn ja, was und wen?

Megan, eigentlich Max Albrecht, will im Raucherbereich der Bar sitzen. Er bestellt einen Whisky Sour und dreht sich eine Zigarette. Und er redet mit dem Tempo eines Schnellzugs. Man merkt: Da steht jemand unter Strom.

 

Texte über Meitli
Alles begann mit Snoop Dogg und dessen Album «Doggystyle». Das Cover nicht unbedingt jugendfrei, ein interessierter achtjähriger Junge, naserümpfende Eltern – es passte alles hervorragend zusammen. Darauf konnte man aufbauen.

Mit zwölf, dreizehn begann Max Albrecht, Texte zu schreiben. «Vor allem über Meitli», sagt er zwischen zwei Zigarettenzügen. «Ich habe jeden Struggle meiner Pubertät dokumentiert.»

Er kam mit neun aus der Nähe von Bamberg, Bayern, nach Stein am Rhein, redet nun breites Schaffhauserdeutsch. Dennoch blieb Deutsch irgendwie seine Muttersprache. Deshalb verfasst er seine Texte immer in Schriftdeutsch.

Bald kam zu den Texten die Musik hinzu, Hip-Hop. Und dann lernte er Andrej Luchsinger kennen, einen Musikfreak erster Preisklasse, der sich heute DJ Mainscream nennt. Passte also ebenfalls prima zusammen. Auch darauf konnte man aufbauen.

Seinen ersten Song stellte Megan im Dezember 2016 online. Kaum ein Jahr später gewann er beim Ostschweizer Bandcontest «BandXOst» den zweiten Platz. Er veröffentlichte sein Mixtape «Slang». Und dessen allererste Zeile: «Ich töte dich Missgeburt mit meinem Messer!»

Damit war vorerst fertig aufgebaut, die Abrissbirne stand.

 

«Ich bin Newcomer, der beste, den es gibt»
Megan alias Max Albrecht

 

Max Albrecht lächelt durch den Zigarettenrauch. «Schau», sagt er, «Rap ist für mich immer Wettbewerb, Battle, Competition. Und als junger No-Name musst du halt mal dein Revier markieren: Ah, ihr wisst nicht, wer ich bin? In dem Fall kille ich euch alle. Ich bin da, um euch auseinanderzunehmen, ich bin krasser als ihr. Natürlich soll man das nicht wörtlich nehmen.»

Will man Megans Mixtape «Slang» auf iTunes kaufen, muss man den Ausweis aus dem Umhang zücken: Jeder einzelne der zehn Songs trägt das Etikett «Explicit Content», zu Deutsch: anstössiger Inhalt, Kauf erst ab 18. Wieder Lemmy Kilmister: Well done, Milchgesicht, gut gemacht.

In seinem Song «Prime» – darunter ein schleppender, tonnenschwerer Beat – pöbelt er durch einen düsteren Club: «Wie schwer ich bin? 100k. Und du bist nur ein Pfund, du Fake.» Und dann: «Gehe auf die Bühne wie ein Boxer, gehe von der Bühne wie ein Rockstar, Diggah, gib mir Wodka.»

Auf dem Lied «Newcomer» schickt er schon mal eine bescheidene Bewerbung an die Plattenlabels: «Ich biete euch jetzt ‘n Deal an, mich zu signen, das ist der letzte, den ihr kriegt – ich bin Newcomer, Diggah, doch der beste, den es gibt … Ich sag’ dir, deine Zeit läuft ab, denn schlechter werd ich nicht mehr.» Irgendwann schreit er auch: «Während Rapper nur Grimassen zieh’n wie Achterbahnen, lach’ ich für die Kamera – Cover süss wie Baklava.»

Hauptinventar seiner Videoclips: Zigaretten, Energydrinks, Alkohol und Augenringe. Megan schläft durchschnittlich fünf Stunden pro Nacht.

 

Kein Sexismus
Die harten Texte, das eher unspektakuläre Erscheinungsbild im «Der Junge aus der Nachbarschaft»-Look: Megan weiss, dass sich da eine Lücke auftut. Dass sich das nicht mühelos verbinden lässt. Er sagt: «Ich wurde schon wegen meiner Kleidung angemacht: Du siehst nicht aus wie ein Rapper, hiess es. Und ich dachte: Hey, es ist 2018! Was soll der Scheiss mit dem Klischee.» Dann habe er sich überlegt: Eigentlich ist es geil, dass ich nicht in eine Schublade passe.

Hier tritt Megans Innenperspektive hervor. Denn Megan kann auch anders. Subtiler, verspielter, witziger. Er muss nicht immer wie ein aggressiver Pitbull durch die Strasse pöbeln.

Zum Beispiel, wenn er auf «Lucky Punch» sexistisch wird – und einen dann doch ins Leere laufen lässt: «Meine Hand in ihrer Lockenpracht, ihre Hand unter dem Höschen – Sockenfach.» Sexismus wolle er nicht drin haben, sagt Megan mit ernster Miene, ganz einfach, weil er das scheisse finde, es sei schliesslich nicht seine Art.

Musikalisch gesehen, übt sich Megan in Askese, im Sparen: Oft genügt ein einfacher, aber schwerer Beat, dazu eine flippernde Melodie, fertig.

 

13 Sekunden für eine Zigi
Megan dreht sich noch eine. Zweimal mit den Wimpern zucken, und fertig ist sie. Dreizehn Sekunden für eine Kippe, sagt er, das sei sein Rekord, er habe mal die Stoppuhr hervorgenommen.

Er bestellt sich einen weiteren Whisky Sour. Die Strohhalme könne er wieder mitnehmen, sagt er zum Kellner, danke.
Wie sich der Zigarettenrauch verdichtet, wird Megan grundsätzlich: Er habe das Gefühl, in Schaffhausen sei der Hip-Hop-Thron seit zehn Jahren vergeben. Alles verstaube.

Die Schaffhauser Hip-Hop-Grössen Gran Purismo, Sulaya oder Sebi Babic alias Pole seien zwar alle «überkrasse Legenden, Props für sie». Aber eben, um den Thron kämpfe niemand mehr.

Darum schwenkt er die Abrissbirne wie einen kleinen Jojo: Er will sich den Thron krallen.

Dann erzählt er folgende Anekdote: «Es hiess schon von einigen Leuten: Lass die Grossen alleine, bleib am Kindertisch.» Die Antwort sage viel über den jetzigen Zustand der Szene aus, meint Megan.

Und wie heisst es im Song «Newcomer»? «Ich sag’ dir, deine Zeit läuft ab, denn schlechter werd ich nicht mehr.»