Oben angekommen

15. Januar 2018, Kevin Brühlmann
Robin Blanck im «Zunftsaal zun Kaufleuten» an der Vordergasse 58.

Robin Blanck soll die «Schaffhauser Nachrichten» in eine neue Ära führen. Blanck – früher Punkmusiker, nun Männerbund-Bourgeois – operiert als oberster Meinungsmacher im Kanton. Auf der Suche nach Antworten auf die Frage, wo Blanck wirklich steht. Und wem die Fahne gehört, die er feierlich hochhält.

Der Schein des Kronleuchters schimmerte auf Robin Blancks schwarzem Haar, als er nach vorne schritt, Richtung Podium. Sein schöner Anzug raschelte.

Es war Anfang November 2017. Die «Schaffhauser Nachrichten» um Chefredaktor Blanck luden zur politischen Diskussion in ihren «Zunftsaal zun Kaufleuten» an der Vordergasse 58. Cornelia Stamm Hurter, SVP, und Claudia Eimer von der SP stritten sich um einen freien Sitz im Regierungsrat. Es passte alles zum Selbstverständnis der Zeitung. Hier, unter der Stuckdecke des Zunftsaals, umgeben von poliertem Marmor, Kerzen und vergoldeten Ornamenten, würde ausgehandelt werden, wer in die Regierungsstube einziehen wird.

Beim Podium angelangt, begrüsste Robin Blanck die Gäste im vollen Saal, wie immer in seiner lockeren, leicht nonchalanten Art. Ehe die Diskussion losgehe, sagte der grosse, hagere Mann, habe er noch eine Überraschung parat. Denn wie er gehört habe, feiere heute ein spezieller Gast Geburtstag. Dann ging Blanck auf die erste Reihe zu, wo er einem kahlköpfigen Mann eine Flasche Wein mit Schleife um den Hals in die Hand drückte: Thomas Hurter, Schaffhauser SVP-Nationalrat und Cornelia Stamm Hurters Ehemann.

Ist Robin Blanck etwa
der Schaffhauser Köppel?

Solche Gesten werden misstrauisch betrachtet: Ist Robin Blanck etwa ein SVP-Soldat? Ein Schaffhauser Köppel? Natürlich nicht. Dennoch stellen sich einige Fragen. Wo steht Robin Blanck tatsächlich? Wie brachte er es zum Chefredaktor? Wie funktionieren seine «SN» und was will er mit dem Einfluss der Zeitung anstellen?

Nach der Diskussion im Zunftsaal stand Robin Blanck etwas abseits, eine Hand in der Hosentasche, die andere gestikulierend, und redete mit einem Verlagsmitarbeiter. Ich ging zu ihm und fragte, ob er in den nächsten Wochen Zeit für ein Gespräch habe, eine Stunde vielleicht, ich wolle über ihn schreiben.

Etwas verdutzt musterte er mich, die Augen leicht zusammengekniffen. Er sei ausgelastet, sagte er dann, dieses Jahr habe er keine Zeit mehr.

Und später? Er schwieg.

Ob er überhaupt keine Lust habe, fragte ich schliesslich.

«Eigentlich nicht, nein», sagte er.

Man schüttelte sich freundlich die Hände und verabschiedete sich.

Ein paar Wochen später bat ich ihn erneut um ein Treffen, dieses Mal förmlich per E-Mail. Kurz darauf rief er an. «Ich habe mir das mit dem Gespräch nochmals überlegt», sagte er, wieder sehr freundlich, «aber ich möchte das nicht. Einerseits halte ich meine Person nicht für besonders spannend, und andererseits habt ihr ja schon eine deutliche Meinung von mir.»

Falls dem so sei, erwiderte ich, wäre doch ein Gespräch gerade richtig.

Möglich, erwiderte er, aber nein Danke. Er halte an seiner Entscheidung fest.

 

  1. Kapitel: Der Islam und eine steile Karriere

Im August 2015 wurde Robin Blanck zum neuen «SN»-Chefredaktor ernannt, mit erst 40 Jahren, nachdem Vorgänger Norbert Neininger überraschend gestorben war. Grosse Konkurrenz gab es nicht: Nebst dem damaligen Vize-Chefredaktor Sandro Stoll, der zugunsten von Blanck verzichtete, war noch Doris Kleck (ex-«SN», jetzt Inlandchefin der «Nordwestschweiz») im Gespräch. Blanck machte wie erwartet das Rennen. Es war die vorläufige Spitze einer steilen Karriere.

Die entscheidende Frage vorab: Hat sich die Zeitung unter Blanck inhaltlich verändert? «Nein», meint Peter Hartmeier, ehemaliger Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», der in Schaffhausen wohnt. «In den letzten 15, 20 Jahren ist sie ja zu einem SVP-nahen Blatt geworden – gerade punkto Europa-Politik. Das wird auch unter Blanck so fortgesetzt.»

Ein anderer, der die Zeitung eng verfolgt, ist Philipp Landmark: «Die ‹SN› haben ihre gewohnt klare bürgerliche Ausrichtung behalten.» Von 2009 bis 2016 war Landmark Chefredaktor des «St. Galler Tagblatts», zuvor arbeitete er insgesamt zwölf Jahre bei den «SN»; sein Büro befand sich zuletzt vis-à-vis von Blancks. Er stellt Blanck ein gutes Zwischenzeugnis aus: «Er hatte schon immer eine eigene, kantige Meinung. Unter ihm ist der Ausdruck des Blatts pointierter geworden.»

Erster Skandal:
«Extrawürste» für muslimische Kinder

Beim Jobantritt versprach Blanck, «noch stärker auf exklusive Themen und eigene Recherchegeschichten» zu setzen. Zunächst befasste er sich aber mit dem Weltgeschehen.

Auslöser war das Attentat auf das Pariser Konzertlokal «Bataclan» im November 2015. In einem Kommentar forderte Blanck Bodentruppen, um die Bedrohung durch den IS vor Ort zu «zerschlagen». Zudem verlangte er von Muslimen, «die in unserer Mitte leben wollen», ein Bekenntnis «zu unseren Regeln und Werten». Und zwar «ohne Wenn und Aber».

Im Umkehrschluss hiesse das: Jeder Muslim, der kein öffentliches Bekenntnis gegen den Terror abgibt, ist selber ein Terrorist. Die kranke Inbeschlagnahme des Korans durch eine extremistische Minderheit wird so zu einem Kulturkampf – oder besser: zu einem Verdrängungskampf – zwischen West und Ost stilisiert.

Der erste lokale Skandal unter Blanck liess etwas auf sich warten. Bis zum Juni 2016. Mangels Themen? Jedenfalls wollte man damals beim Jugendfest auf der Breite 2’000 Kinder mit Würsten verpflegen, gratis. Es gab vegetarische Würste sowie Kalbsbratwürste mit und ohne Schweinefleisch. Letztere waren für muslimische Kinder gedacht und etwas teurer im Einkauf. Die «SN» brachten eine Titelgeschichte und fragten: «Werden nicht-muslimische Schulkinder vom Genuss einer reinen Kalbsbratwurst ausgeschlossen?» Alle Beteiligten verneinten. Das nützte aber nichts: Am nächsten Tag gab es dann nochmals eine «Extrawurst»-Geschichte, gefolgt von Nahkämpfen auf der Leserbriefseite.

Wenig später machte die Zeitung diverse Causae und Affären rund um den Stadtschulrat publik. Am Ursprung stand, auch hier, «der Islam»: Muslimische Eltern wollten einer Lehrerin die Hände nicht schütteln. Und ein muslimischer Sekschüler aus Mazedonien machte ordentlich Radau. Daraus wurde dann ein generelles Sicherheitsproblem an den Schaffhauser Schulen.

Was nach monatelanger Berichterstattung übrig blieb: nichts. Ausser, dass der Stadtschulrat richtig gehandelt, aber zum Teil schlecht kommuniziert hat. Zu diesem Schluss kam ein externer Expertenbericht. Der Problemschüler hingegen war am Ende – und die Rückkehr in eine normale Klasse vorerst unmöglich.

«Ich würde wieder alles genauso machen», sagte Blanck dem «Magazin», das dem Ganzen eine Titelgeschichte widmete (Überschrift: «Eine Stadt sucht einen Skandal»).

 

2. Kapitel: «Die Bullen!»

In einem siffigen Proberaum in Neunkirch, Anfang der 1990er-Jahre. Ein dünner Punker mit wirrem Haar schrie den Song «Die Bullen» ins Mikrophon: «Wer schlägt mit dem Knüppel auf ‘ne Demonstration, wer schiesst in die Menge, ja du weisst es schon: die Bullen, die Bullen, die Bullen!» Hinten sass ein ebenso dünner Typ, gross, halblange schwarze Haare und Brille; er drosch mit gesunder Aggression auf sein Schlagzeug ein und grölte den Refrain mit. Der Name des Drummers: Robin Blanck, Kantischüler.

Die vierköpfige Band trug den wohlklingenden Namen «Formic und die Milchmänner», Formic, nach einem Ameisengift. Die Jungs bezeichneten ihre Musik als «Hippie-Punk». Die anderen Songs hiessen «Mauern», «2000 Jahre Zivilisation» oder «Hexenverbrennung».

Ein damaliges Bandmitglied erinnert sich: «Robin war der klassische Studententyp, alternativ angehaucht, sehr angenehm, aber weniger punkig als der Rest.»

Das Logo der Punkband «Formic und die Milchmänner», bei der Blanck Schlagzeug spielte.

Nach der Matura begann Blanck ein Germanistik-Studium an der Universität Zürich. Da aber «wunderbare Texte vor meinen Augen erwürgt wurden», wie er dem Branchenmagazin «Schweizer Journalist» verriet, habe er dann zur Geschichte gewechselt. 2006 machte er seinen Abschluss, Titel seiner Lizentiatsarbeit: «Ehrschatz: Funktion und Bedeutung einer Handänderungsgebühr. Eine Untersuchung am Beispiel des Grundbesitzes des Klosters Allerheiligen».

1997, mit 22, begann Blanck, bei den «SN» zu arbeiten. «Das hat mich etwas überrascht, der konservative Kurs der ‹SN› passte nicht zu ihm», meint Edi Joos heute. Der langjährige FDP-Kantonsrat war Blancks Geschichtslehrer an der Kanti, wo er ihn als «eifrigen, pflegeleichten Schüler» erlebt habe.

Bald übernahm Blanck die Leitung der Kulturbeilage «Express». Dort arbeitete er einige Jahre mit Christoph Lenz zusammen, der heute Journalist beim «Tages-Anzeiger» ist. «Ich habe ihn als sehr solidarisch erlebt. Manchmal schrieb er in der Nacht Ersatztexte, falls etwas schiefgelaufen ist», sagt Lenz. Auch «WOZ»-Redaktor Jan Jirát, er lernte den jungen Blanck ebenfalls in der «SN»-Stube kennen, erinnert sich: «Ich nahm ihn als Gesellschaftsreporter wahr, nicht als Politkommentator – ich hätte ihn damals am ehesten einem linksliberalen, urbanen Umfeld zugeordnet.»

 

3. Kapitel: Frischer Wind im Städtli

2005 wechselte Blanck ins Stadtressort und berichtete über den Grossen Stadtrat – zehn Jahre lang, bis zur Ernennung zum Chefredaktor. In dieser Zeit wurde aus dem Reporter ein politischer Redaktor. Es galt die Regel: Honig in der Stimme, Salpeter in der Feder. Im Umgang angenehm, am Schreibtisch giftig.

 

 

Kulturredaktor Blanck stellt das Album «Debüt» der isländischen Popsängerin Björk vor, «SN» vom 26. Oktober 2001. Er ist begeistert. Bild: Bruno + Eric Bührer

Das kam an. «Er schrieb anders als die Bisherigen und brachte frischen Wind in die Stadtpolitik», meint Peter Käppler, damaliger SP-Stadtrat. «Die Ironie ist aber: Blanck fand Gefallen an seinem wachsenden Einfluss. Und je mehr Einfluss er spürte, desto weiter rückte er ins bürgerliche Establishment hinein.»

Käppler bekam das am eigenen Leib zu spüren: 2012 wurde er abgewählt, nachdem Blanck in diversen Artikeln von «schwerwiegenden Fehlern» Käpplers berichtet hatte. Merkwürdigster Auswuchs dieser «Kampagne» (Käppler) war ein Interview kurz vor den Wahlen: Blanck stellte Käppler harmlose Fragen, es entstand ein oberflächliches Wahlgespräch. So weit, so fair.

Das Interview erschien dann allerdings mit einem Zusatz: SVP-Präsident Eugster durfte Käppler exklusiv demontieren («Käppler braucht jemanden, der ihn bei der Hand nimmt und ihm erklärt, wie man Dinge anpacken muss»). Der Kritisierte durfte dazu keine Stellung nehmen. Die Interviewfragen verkamen zur blossen Dekoration. Diese Episode blieb beileibe nicht die einzige, mit der Blanck die Linke in Rage versetzte.

Das wiederum freute natürlich bürgerliche Politiker, vermutlich auch Walter Hotz, der seit 1999 im Stadtparlament sitzt (erst für die FDP, dann für die SVP). Hotz ist voll des Lobes für Blanck: Er sei ein zuverlässiger, integrer Typ. «Ich konnte ihm auch vertrauliche Sachen sagen, das ging nie zu früh raus.» Sie hätten sich manchmal getroffen, und er habe Blanck Tipps gegeben. «Und er hat meine Tipps auch befolgt», sagt Hotz. «Aber er berichtete nie einseitig, sondern immer objektiv. Das ist seine Stärke als Journalist.»

Bei Blanck gilt die Regel:
Honig in der Stimme, Salpeter in der Feder

Robin Blancks Aufstieg – innert zehn Jahren vom Parlaments- zum Chefredaktor – ist auch Norbert Neininger zu verdanken. Zwei Jahrzehnte führte Neininger «SN» und Verlagshaus Meier + Cie mit fester Hand. Seine sogenannten «Bergpredigten» waren gefürchtet: Jeden Mittwoch liess er die gesamte Redaktion bei sich antraben, oben unter dem Dach der Vordergasse 58. Und dann wusch Neininger seinen Untergebenen die Kappe.

Es waren zudem zwei Jahrzehnte, in denen das EWR-Nein von 1992 wie ein goldenes Erbe zu verteidigen war. Christoph Blocher wurde zu einem guten Freund Neiningers, zwei Biografien und «Teleblocher» entstanden in Zusammenarbeit. Es kam schon mal vor, dass Blocher zur Redaktionssitzung eingeladen wurde, wenn es um eine bestimmte Abstimmung ging. «Zur Meinungsbildung», wie man zu sagen pflegte.

Und schliesslich waren es zwei Jahrzehnte, in denen Neininger sein Medienmonopol ausbaute. Mit Ausnahme der «az» gehören dem Meier-Verlag heute sämtliche Zeitungen der Region, inklusive Beteiligungen beim «Schaffhauser Bock» und beim Bülacher «Wochenspiegel» (dessen Mehrheit der Zürcher Auto-Mogul und SVP-Politiker Walter Frey innehat). Hinzu kommen Radio Munot und das Schaffhauser Fernsehen, beide ebenfalls im Besitz der Meierei.  Dies also die äusseren Umstände.

 

4. Kapitel: Von Neininger gefördert

Im Inneren, wohl sogar im Herzen, war es so: Neininger mochte den hartnäckigen Blanck. Damit dieser seine Lizentiatsarbeit abschliessen konnte, stellte Neininger ihn gar einige Zeit frei, natürlich bezahlt. Und er ermöglichte Blanck zu reisen. Im Juli 2009 sollte so die erste grosse Investigativrecherche entstehen: Blanck flog nach Valencia, Spanien, wo der stadtbekannte Schaffhauser Erich Schlatter inhaftiert war. Er stand unter Verdacht, eine Person getötet zu haben.

Innerhalb einer Woche füllte der «Fall Schlatter» dreimal die Titelseite; hinten folgten mehrseitige «Spurensuchen» vor Ort. Blanck durchwühlte Schlatters Behausung, befragte – mithilfe einer Übersetzerin – Hundebesitzer und Passanten, fand aber nichts. Nichts ausser spanischen Hundeexkrementen, die er ausführlich beschrieb. Trotzdem liess er keinen Zweifel daran, dass es keinen anderen Täter als Schlatter geben konnte. Und juristisch gesehen? Mangels Indizien verzichteten die spanischen Behörden auf einen Prozess gegen Schlatter.

Eine Leserbriefschreiberin ärgerte sich damals: «Könnte man das Phänomen des gesellschaftlichen Aussenseiters auf weniger voyeuristische Art angehen?»

Offenbar wurde es Blanck und dem «Intelligenzblatt» in der Folge selber etwas ungeheuer. In späteren Artikeln verzichtete man auf die namentliche Nennung Schlatters und verwendete seine Initialen.

Blanck im exklusiven Service-Club:
mit Bankern und Politikern

Was hat Robin Blanck sonst noch von Förderer Neininger mitgenommen? Aufschlussreich ist hier vor allem das, was seit Jahren gleich geblieben ist: der Wirtschaftsteil.

Nichts gegen Steueroasen, wie sie in Panama und Paradise Papers zu finden sind, so die Devise, aber viel wichtiger ist das Hegen des lokalen Gewerbes. Gesetzt ist Vize-Chefredaktor Sandro Stolls jährliche Laudatio auf die IWC- und die
Moser-Kollektion an der Genfer Uhrenmesse. Unverzichtbar der Beifall, wenn Ex-Fussballer Christian Stübi zur Immobilien­firma nebenan wechselt oder die Georg Fischer die Arbeitszeit erhöht.

Blanck ist Mitglied beim exklusiven Lions Club Schaffhausen, dem 62 namhafte Vertreter aus Politik und Wirtschaft angehören.

Vor Kurzem wurde Robin Blanck in den Lions Club Schaffhausen aufgenommen. Alle zwei Wochen treffen sich die 62 ausschliesslich männlichen Mitglieder. Es sind dies, unter anderen: Beat Stöckli, der Leiter der Ersparniskasse, Stadtrat Raphaël Rohner, Wirtschaftsförderer Christoph Schärrer, Staatsanwalt Peter Sticher oder Bernhard Klauser, Steuerberater, involviert in viele Briefkästen internationaler Konzerne. Aufgenommen wird nur, wer von einem bisherigen Mitglied empfohlen wird – sofern denn der Vorstand dem Beitritt zustimmt. Als ich mich dort um einen Beitritt erkundigte, wurde ich freundlich gebeten, es doch bei einem anderen Service-Club zu versuchen. Die Exklusivität der Männerbund-Bourgeoisie wird gewissenhaft verteidigt.

 

5. Kapitel: «So schwierig wie nie»

Mit dem lokalen Establishment verflochten, nationalkonservativ, mit einer latenten Antipathie gegen alles, was islamisch aussieht: Blancks «SN» nähren sich vom selben Kuchen, den Neininger gebacken hat. Aber der Schatten, den Neiningers Erbe wirft, ist lang. Und je tiefer die «SN» fliegen, desto länger wird er.

Zwischen den Jahren 2001 und 2017 sank die Auflage der «SN» von 26’000 auf 19’400 Exemplare, also um 27 Prozent. Die Entwicklung ist nicht ganz so dramatisch wie bei den grossen Zeitungen, namentlich bei «NZZ» (-39 Prozent) oder «Tages-Anzeiger» (-40 Prozent). Und mit ihrer wöchentlichen Grossauflage erreicht die Zeitung immer noch rund 94 Prozent aller Haushalte im Kanton. Gleichwohl: Ein Ende des Sinkflugs ist nicht abzusehen.

«Ich bin mir sicher: In der Geschichte der ‹SN› hatte es noch nie ein Chefredaktor so schwierig wie er», sagt der ehemalige «Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Peter Hartmeier. «Wichtig für die ‹SN› ist vor allem das Lokale. Und da sehe ich zurzeit noch nicht, wie er den Spagat zwischen Stadt und Land schaffen und wie er neue junge Abonnenten gewinnen will. Die alten Männer, die auf den Leserbriefseiten jede Woche enorm viel Platz zum Schimpfen erhalten, schrecken Junge sicher ab.» Hartmeier anerkennt aber auch Blancks Einsatz: «Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst und beschäftigt sich intensiv mit den Themen. Früher war er etwas distanzierter, heute geht er sehr auf die Menschen zu.»

Tatsächlich hat Blanck vor allem eines verändert: den Führungsstil. Sein Büro liegt nicht mehr, wie bei Neininger, unter dem Dach der Vordergasse 58, sondern im Erdgeschoss. Man duzt ihn. Hilfsbereit, humorvoll, intelligent und, das Wort fällt immer, smart – so beschreiben ihn frühere und gegenwärtige Kolleginnen und Kollegen.

Hätte Robin Blanck früher gedacht, dass er einmal zum Chefredaktor aufsteigen würde? Dass er im renommiertesten Männerbund der Region landet? Dass er einer der einflussreichsten Menschen im Kanton sein würde? Wohl kaum.

Eigentlich habe er ja Anwalt werden wollen, erzählt seine Mutter, aber jetzt sei er sehr zufrieden als Journalist. «Ich bin sehr stolz auf ihn.»

 

6. Kapitel: Erleichterte Wehrpflicht

Als jüngster von drei Söhnen wuchs Robin Blanck in Thayngen auf; der Vater Buchhalter in der «Knorr»-Fabrik, die Mutter zu Hause. Das Elternhaus, alt und mit grünem Gürtel, grenzte direkt an die Druckerei Augustin: tagsüber Maschinengestampfe und Lastwagenrauschen, nachts Revierkämpfe der Katzen aus dem Quartier. Die Eltern stammen beide aus dem Elsass und erzogen ihre Kinder bilingue, sie sind bis heute französische Staatsangehörige. Ihr jüngster Sohn habe sich vor «zwei bis drei Jahren» einbürgern lassen, so die Mutter.

Warum hat Blanck, ein erklärter Schweizer Patriot, so lange mit der Einbürgerung zugewartet? Vermutlich auch aus praktischen Gründen. Indem er 2009 seine Jugendliebe, eine Schaffhauser Lehrerin, heiratete, profitierte er von der erleichterten Einbürgerung (die nach drei Jahren Ehe möglich wird). Das passt überhaupt nicht mit der gesellschaftspolitischen Ausrichtung der «SN» zusammen: Als wohl einzige Schweizer Zeitung neben der «Weltwoche» sprach sie sich gegen die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation aus, über die Anfang 2017 abgestimmt wurde.

Ob mit oder ohne Dienstgrad:
Blancks Kampf ist noch lange nicht zu Ende

Ein anderer Grund für die späte Einbürgerung, so berichten Bekannte von Blanck, sei «das Militär» gewesen: Er boykottierte die Armee. Als im Herbst 2013 aber über die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht abgestimmt wurde, mauerte man bei den «SN» einen Verteidigungsbunker sondergleichen: Die Wehrpflicht sei «seit Urzeiten ein fester Bestandteil der Schweizer Kultur und Mentalität».

Ob mit oder ohne Dienstgrad: Der Kampf von Robin Blancks «SN» ist nicht zu Ende. Die nationalkonservative Fahne, die unter Norbert Neininger gehisst wurde, wird weiter feierlich hochgehalten. Zum 25-Jahr-Jubiläum des EWR-Neins erschien erst vor Kurzem eine doppelseitige Huldigung auf den damaligen «Kampf». Von der Titelseite grinste einem Christoph Blocher entgegen, Kuhglocken über der Schulter, Zigarre im Mundwinkel.

 

Web-exklusiv: Hören Sie den Song «Die Bullen» von Robin Blancks ehemaliger Punkband «Formic und die Milchmänner».