Am Mittwoch, 3. Januar, hat das kosovarische Verfassungsgericht in Pristina vier Parlamentsabgeordnete zu bedingten Haftstrafen verurteilt, die in den Jahren 2015 und 2016 mit Tränengaspetarden Parlamentssitzungen verhindert hatten.
Die vier Abgeordneten gehören der Linkspartei Lëvizja Vetëvendosje (Bewegung für Selbstbestimmung) an. Faton Topalli, der vor seiner Rückkehr in den Kosovo viele Jahre in Dörflingen gelebt hatte, wurde zu 14 Monaten bedingt verurteilt, Parteigründer Albin Kurti zu und zwei weitere Parlamentsmitglieder zu ebenfalls bedingten Strafen in ähnlicher Höhe. Kosova-aktuell.de, gewissermassen das inoffizielle Deutschsprachige Organ der Partei, schreibt, die Angeklagten seien am Mittwoch nicht vor Gericht erschienen, weil sich Richter Beqir Kalludra in einem inzwischen gelöschten Facebook-Post positiv über Adolf Hitler geäussert habe. Albin Kurti solle im Verlauf des Verfahrens zum Richter gesagt haben: «Ich bin Antifaschist, ich spreche nicht mit Ihnen.»
Die Bewegung für Selbstbestimmung kritisiert die Urteile als politisch motiviert und die vier Verurteilten werden Beschwerde einlegen, wie Faton Topalli auf Anfrage erklärt.
Faton Topalli und die anderen Verurteilten hatten mit dem Zünden von Tränengaspetarden mehrmals den Abbruch von Parlamentssitzungen erzwungen, um gegen ein umstrittenes Grenzabkommen mit Montenegro und ein Abkommen mit der EU für Sonderrechte von serbischen Gemeindebünden im Norden Kosovos zu protestieren – bei letzterem befürchtet die Linkspartei eine verstärkte Einflussnahme aus Belgrad auf die junge Republik Kosovo, deren Unabhängigkeit von serbischer Seite bis heute nicht anerkannt wird.
Der Einsatz von Tränengas im Parlament sei natürlich verboten, sagt Topalli, «aber in einer Ausnahmesituation waren wir gezwungen höhere Interessen mit ungewöhnlichen Methoden zu verteidigen». Inhaltlich gesehen war der Protest erfolgreich: Das Abkommen mit der EU hat ein Gericht als Verfassungswidrig beurteilt, für dasjenige mit Montenegro gibt es laut Topalli inzwischen keine Mehrheit mehr im Parlament.
Faton Topalli war schon kurz nach seiner Tränengasaktion in Pristina festgenommen und für kurze Zeit inhaftiert worden (Interview kurz vor der Verhaftung in der «az» vom 3. Dezember 15, Seite 19). Die nun ausgesprochenen,bedingten Haftstrafen werden er und die anderen Verurteilten jedoch nicht antreten müssen, wenn sie ihre Taten nicht wiederholen.
Anm. d. Red.: Der Text wurde am 10.1.2018 nach einem telefonischen Gespräch mit Faton Topalli aktualisiert.