Seit das EKS Solaranlagen verkauft, hagelt es Kritik: Das Elektrizitätswerk habe sich illegal Marktvorteile verschafft und arbeite mit einer deutschen Firma zusammen, die systematisch Schweizer Gesetze breche. Nun sind mehrere Strafanzeigen eingegangen. Das EKS sieht sich als Opfer einer Kampagne.
Im August 2016 bekam Hans-Peter Kaufmann Post vom EKS. Der Werbebrief für das Photovoltaik-Projekt «Sun Control» landete in seinem Briefkasten am Windeggstieg. Das EKS schlug ihm im Brief aber vor, Kaufmanns Randenhaus in Hemmental mit Solarzellen zu bestücken. Es handle sich um ein «Spezialangebot für EKS-Stromkunden».
Mit dem Schreiben ist das EKS wortwörtlich an den Falschen geraten. Denn Kaufmann ist nicht nur EKS-Stromkunde, er ist auch Direktor des Schweizerisch-Liechtensteinischen Gebäudetechnikverbands Suissetec und damit Vertreter genau jener Betriebe, welche das EKS mit seinem Projekt «Sun Control» konkurreniert: der privaten Photovoltaik-Installateure.
Kaufmann wusste: Das EKS bewegt sich mit seinem Projekt in einem Wettbewerb. Wenn es dabei zu Werbezwecken ihre riesige Kundenkartei benutzt, die sie durch ihre Stellung als staatlicher Monopolist in der Energieversorgung erarbeitet hat, verstösst das gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen. Genau dies beweist der Brief, den Kaufmann bekommen hat.
Woher sonst soll das EKS wissen, dass er ein Randenhaus in Hemmental besitzt?
Kaufmann ging in die Offensive – und bringt das EKS seither mit immer neuen Vorwürfen in arge Bedrängnis. Das EKS befürchtet mittlerweile, dass in Schaffhausen dasselbe geschehen könnte wie zuvor in Baselland. Dort habe Suissetec so starken Druck auf den staatsnahen Solarenergie-Anbieter ausgeübt, dass dieser schliesslich aufgeben musste und heute keine Photovoltaik-Anlagen mehr anbietet.
Es ist die offizielle Strategie von Suissetec, sich «vehement gegen zunehmende Konkurrenz von staatsnahen Betrieben» zu wehren.
EKS-Sprecherin Juliane Huber sagt gegenüber der «az», Suissetec wolle staatsnahe Betriebe aus dem freien Markt verdrängen. Nun habe es der Verband aufs EKS abgesehen und dafür sei Suissetec offenbar jedes Mittel recht.
Die Briefkastenfirma
Ist hier ein Kleinkrieg entbrannt? Ob nun eine politische Agenda dahintersteckt oder nicht: Der Gebäudetechnikverband hat seit August 2016 ganze Arbeit geleistet.
In ersten Gesprächen mit EKS-CEO Thomas Fischer behauptete dieser noch, die verwendeten Adressen habe das EKS zugekauft. Später musste er einräumen, es seien «Fehler passiert». Doch damit nicht genug.
Im Juli 2017 hat Suissetec das EKS beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat (Esti) angezeigt. Bei der Anzeige geht es darum, dass die Firma E. U. Solar Swiss GmbH, welche im Auftrag des EKS die Solaranlagen des Projekts «Sun Control» installiert, dafür gar keine Bewilligung gehabt habe.
Die E. U. Solar Swiss GmbH ist in Thayngen domiziliert. Der Fernsehsender Tele Top machte jedoch im Dezember 2016 publik, dass es dort, beim Thaynger Zoll, nicht mehr gibt als einen Briefkasten.
Die Briefkastenfirma gehört zu 99,5 Prozent Holger Ermoneit, einem Unternehmer aus Überlingen. Dort betrieb er die Firma E. U. Solar GmbH & Co. KG, bis diese 2014 vom Amtsgericht Konstanz wegen Insolvenz aufgelöst wurde. Die Briefkastenfirma E. U. Solar Swiss GmbH in Thayngen wurde bereits viermal betrieben.
Und auch die geleistete Arbeit war offensichtlich nicht über alle Zweifel erhaben.
Die Arbeitskräfte, welche die EKS-Solaranlagen schliesslich installierten, waren bei einer dritten Firma angestellt, der EnWo GmbH im deutschen Owingen, die ebenfalls Holger Ermoneit besitzt. Zur Arbeit wurden die Mitarbeiter jeweils über die Grenze geschickt. Dies war nicht unproblematisch.
Bereits im Dezember 2016 schrieb das Schaffhauser Arbeitsamt der EnWo, sie stehe unter Verdacht, gegen das Gesetz verstossen zu haben, indem sie während mehr als den zulässigen 90 Tagen pro Jahr Grenzgänger zum Arbeiten in die Schweiz geschickt habe. Ausserdem hätten Arbeitskontrollen ergeben, dass auf mehreren Baustellen der E. U. Solar Swiss die Suva-Normen nicht eingehalten worden seien. Mitarbeiter seien auf den Dächern nicht ausreichend gesichert gewesen. Statt einem Gerüst gab es nur Fassadenlifte und Leitern (siehe Bild unten).
Holger Ermoneit streitet die Vorwürfe gegenüber der «az» ab und sagt, seine Mitarbeiter dürften ohne Gerüst montieren, solange die Montagen nur einen Tag dauerten.
Doch nicht nur die Arbeitsweise, auch die Arbeit selbst, welche die EnWo unter dem Namen E. U. Solar Swiss fürs EKS ausführte, wurde angeprangert. Im August 2017 teilte Suissetec mit, dass sie eine der EKS-Anlagen habe überprüfen lassen. Der Bericht, welcher der «az» vorliegt, zeigt, dass kein Überspannungsschutz installiert wurde. Ein solcher ist in der Schweiz jedoch Vorschrift, er schützt das Haus bei Blitzeinschlag. Fehlt er, können Brände entstehen.
Suissetec befürchtet, dass in weiteren EKS-Solaranlagen der Überspannungsschutz fehlt, und rät den Kunden dringend, beim EKS eine Kontrolle einzufordern. Falls sich der Verdacht erhärtet, würde das EKS wohl in die Taschen greifen müssen, um die Anlagen nachzubessern.
Im Reglement geirrt
Derweil versucht Holger Ermoneit zu beschwichtigen. Nach deutschen Richtlinien sei ein solcher Überspannungsschutz nicht nötig. Man habe sich wohl im Reglement geirrt, sagt er auf Anfrage.
Fassen wir kurz zusammen: Das EKS stellt für seine Solarinstallationen eine deutsche Firma an, die in der Schweiz einen Briefkasten betreibt, die hiesigen Gesetze verletzt und offensichtlich in arger finanzieller Schieflage ist. Ist das tragbar?
Der Druck auf das EKS verschärfte sich; der Schaffhauser Gewerbeverband fand markige Worte. Und auch hier musste das EKS schliesslich Zugeständnisse machen. Der damalige Regierungsrat und EKS-Verwaltungsratspräsident Reto Dubach versicherte Suissetec, künftig würden Installationsaufträge auf Schweizer Gebiet an Schweizer Firmen vergeben werden. Die
E. U Solar Swiss GmbH werde nur noch die bereits vergebenen Aufträge ausführen.
Ende der Geschichte? Nein.
EKS-CEO Thomas Fischer sagte im Juli 2017 in einem Interview mit den «SN», es sei nicht einfach, lokale Firmen für die Aufträge zu gewinnen. Das EKS habe zehn Haustechnikunternhemen aus der Region angefragt, ob sie offerieren wollten. Doch «die Resonanz war ernüchternd». Nur zwei Firmen hätten offeriert, mit einer arbeite man nun zusammen.
Die «az» hat sich bei mehreren Firmen umgehört: Interesse hat durchaus bestanden. Die Vorgaben des EKS seien aber viel zu starr gewesen, sind sich die Firmen einig. «Die vom EKS geforderten Preise hätten wir unter den beschriebenen Bedingungen und unter Einhaltung der Normen und Gesetze nicht einhalten können», sagt etwa Roman Lutz von der Lutz und Bodenmüller AG.
Juliane Huber vom EKS erklärt jedoch, das Produkt Sun Control sei seit seiner Einführung so erfolgreich, dass man «weitere Dienstleister für die Installation der Anlagen» benötige.
Müsste man in diesem Fall dem lokalen Gewerbe nicht einfach bessere Bedingungen anbieten?
Das sei nicht so einfach, sagt Juliane Huber. Der Auftrag der Regierung sei klar: das EKS müsse die Energiewende fördern und in der Region möglichst viele Photovoltaik-Anlagen ermöglichen. Gleichzeitig müsse «Sun Control» ökonomisch rentabel sein.
Suissetec hingegen sagt, das EKS mache es sich zu einfach: Wenn ein deutsches Unternehmen komme und etwa das Gerüst einspare oder keinen Überspannungsschutz einbaue, sei ja klar, dass es billiger arbeiten könne. Doch verantwortlich für diese Verstösse gegen das Gesetz sei unter dem Strich das EKS. Die Anlagen seien schliesslich durch das EKS offeriert.
Erneute Zusammenarbeit?
Doch wie geht es weiter, jetzt, wo das EKS zu wenig Manpower hat, um Solaranlagen zu installieren?
Gemäss Informationen der Paritätischen Landeskommission der Gebäudetechniker hat die EnWo GmbH auf den
1. Mai 2017 vier ihrer Mitarbeiter offiziell zur E. U. Solar Swiss GmbH verlegt.
Holger Ermoneit sagt, es sei «unklar», ob seine Firma in Zukunft wieder mit dem EKS zusammenarbeiten könne. Er strebe eine weitere Zusammenarbeit jedoch klar an. Der Zusammenzug seiner Mitarbeiter ist ein Indiz dafür, dass er stark auf die Karte Schaffhausen setzt.
Das EKS will auf Anfrage der «az» eine weitere Zusammenarbeit mit der E. U. Solar Swiss GmbH nicht ausschliessen. «Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, verschliesst sich EKS grundsätzlich keiner Zusammenarbeit», schreibt Juliane Huber.
Vor dem Hintergrund, dass das EKS zu wenige lokale Firmen findet, die nach seinen Bedingungen Aufträge übernehmen wollen, scheint es gut möglich, dass eine neu aufgestellte E. U. Solar Swiss auch künftig wieder auf hiesige Dächer steigt – unter der Flagge des EKS.
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Die Folgen: erneute Strafanzeige
Im August 2017 hat Suissetec beim Bundesamt für Energie eine Strafanzeige gegen das EKS eingereicht. Indem das Elektrizitätswerk keine getrennten Adresskarteien geführt habe, bestehe der Verdacht auf «Verletzung der Pflicht zur informationellen und finanziellen Entflechtung von Monopol- und übrigen Tätigkeitsbereichen».
Suissetec-Sprecherin Annina Keller sagt, man habe nicht erkennen können, dass das EKS seine Fehler eingesehen habe und wirklich gewillt sei zu handeln.
Das EKS hat erst von der «az» von der Strafanzeige erfahren und kann deshalb noch keine Stellung nehmen. (mr.)