Christliche Schaffhauser Unternehmer kommen immer wieder zusammen, um einen «christusgemässen Lebensstil» zu propagieren. Zur Inspiration haben sie kürzlich Johannes Läderach eingeladen – Sprössling der «Schoggi-Familie», die grossen Erfolg und einen langen Schatten hat.
Im Park Casino herrscht heitere Aufregung. Die Leute lachen. Sie heissen sich mit einem kräftigen Händedruck willkommen. Manche suchen sich einen Platz, die meisten sitzen bereits und tauschen Nettigkeiten aus. Draussen regnet es in Strömen, das kümmert aber niemanden. Man fragt nach dem Geschäftsgang, nach der Familie, alle freuen sich auf den Abend. Der ganze Saal erstrahlt in Gelbtönen: die Servietten, die als Platzhalter dienen, die grossen Sonnenblumen, die sorgfältig arrangiert wurden, ein Saxophon für den musikalischen Auftakt. Am Podest hängt das Emblem der IVCG. Die Schaffhauser Sektion der internationalen Vereinigung christlicher Geschäftsleute, die sich regelmässig hier trifft, hat zum Meeting geladen. Es geht um ein wichtiges Thema für die Organisation, die christliche, gläubige Führungskräfte vernetzen möchte: «Begeistern statt Befehlen», und damit Erfolg hat. Kapitalismus, Profit und Gewinne sind spätestens seit der calvinistisch-protestantischen Ethik für Christen gottgewollt. Wer christliche, biblische Werte lebt und propagiert, wird belohnt, davon sind die Mitglieder der IVCG überzeugt. Ihren Glauben zur Privatsache zu erklären, kommt für sie nicht in Frage, im Gegenteil. Das Christentum halte die Gesellschaft stabil, das gerate jedoch in Vergessenheit, heisst es im Leitbild der Organisation, darum müsse man den Glauben an Christus stärken. Das Hauptziel der IVCG ist das «Gewinnen von Menschen zu einem christusgemässen Lebensstil». Missionierung wird in keiner Weise erwähnt, dennoch wird die IVCG von Experten zur evangelikalen Bewegung gezählt.
Vorzeigeunternehmer
Die meisten Mitglieder der Schaffhauser Sektion stammen aus freikirchlichen Kreisen, KMU-Besitzer und ihre Ehefrauen. An diesem Abend sind rund 50 Personen anwesend. Im Vorstand etwa sitzen Iris und Marco Fontana-Rahm, deren Familie die Weinkellerei Rahm AG in Hallau besitzt. Ihr Erfolg basiert genau auf der Logik evangelikalen Unternehmertums: «Rimuss» ist die alkoholfreie Alternative für jede Party, macht Spass, aber nicht süchtig – und das Familienunternehmen reich.
Das trifft auch auf die Familie des Gastredners zu, der freudig erwartet wird. Er sitzt schon beim Podium, im schwarzen Anzug und in polierten Schuhen. Er ist jung, «blutjung», wie er später sagen wird. Geduldig schüttelt er jede Hand, die ihm hingestreckt wird, und justiert das Funkmikrophon an seinem Ohr. Dass er von allen beäugt wird, ignoriert er höflich.
Dann geht es los. Heinz Baumgartner, Präsident der Schaffhauser Gruppe, stellt den jungen Referenten vor, der eigentlich keiner langen Einführung bedarf: Johannes Läderach, 31 Jahre alt. Er ist einer der Söhne des sogenannten «Schoggi-Königs» Jürg Läderach, der aus einer einfachen Fabrik in Glarus ein kleines Schokoladenimperium gemacht hat. Die Läderach-Pralinés gehen um die Welt und gehören zu den beliebtesten Produkten der Schweiz. Der Name Läderach ist «in aller Munde», wie der Referent selbst humorvoll anmerkt.
Das Unternehmen, das zu hundert Prozent in Familienbesitz ist, hat einem Umsatz von 120 Millionen Franken jährlich. Die Wertschöpfungskette ist integral in Läderach-Händen: Von der Bohne bis zum Vertrieb des Endprodukts, jeder Schritt wird vom Familienunternehmen kontrolliert und gemanagt. Nachhaltigkeit und Ethik werden grossgeschrieben, die Produktion ist hauptsächlich in der Schweiz angesiedelt. Das alles macht «Läderach Chocolatier Suisse» zum Vorzeigebetrieb.
Und Johannes Läderach zu einem Vorzeige-Jungunternehmer. In seinem Referat zeigt er auf, wie einfach antiautoritäres Führen funktioniert, wenn die biblische Barmherzigkeit angewendet wird. Wer nach dem Segen Gottes trachtet, respektiert seine Angestellten, sorgt für sie, packt selbst an und wird in diesem und im nächsten Leben belohnt werden. Während er den Führungsstil seiner Familie schildert, läuft Johannes Läderach hin und her. Er gestikuliert, lächelt, witzelt mit dem Publikum, er begeistert und unterscheidet sich dabei kaum von einem Prediger. Nach dem Referat applaudieren alle enthusiastisch.
Mehr als Schönheitsfehler
Das Bild des guten, rechtschaffenen Unternehmers wirft aber auch lange Schatten. Wie die rassistisch motivierte verlegerische Tätigkeit von Emil Rahm, die einen bitteren Beigeschmack beim «Rimuss»-Genuss hinterlässt. Der Traubensaftproduzent und Mitgründer der Weinkellerei Rahm glaubte an eine «jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung», engagierte sich stark gegen die Rassismus-Strafnorm und wurde in Schaffhausen wegen Rassendiskriminierung verurteilt. Mit der Läderach-Schokolade ergeht es einem ähnlich. Nur beim ersten Bissen ist sie eine unschuldige, süsse Verführung.
«Eine der radikalsten Freikirchen»
Sekten-Experte Hugo Stamm
Die Läderach-Familie gehört nachweislich dem radikalen Missionswerk «Kwasizabantu» an. Das Werk wurde vom deutschstämmigen Südafrikaner Erlo Stegen in den 1970er Jahren gegründet und zählt weltweit rund 40’000 Mitglieder, in der Schweiz sind es circa 300. Der Missionar hatte nach eigenen Angaben bei den Zulus ein «Erweckungserlebnis» und sieht sich seitdem als Gesandter Gottes, der Wunderheilungen vollbringen kann und «in Zungen spricht». In der Schweiz ist «Kwasizabantu» in Kaltbrunn SG angesiedelt und betreibt dort eine Privatschule mit dem Namen «Domino Servite» (Dient dem Herrn). Unternehmer Jürg Läderach sitzt im Verwaltungsrat beider Institutionen, seine Kinder haben die «Domino Servite»-Schule besucht, seine Frau war dort Lehrerin. Die Familie unterstützt «Kwasizabantu» finanziell, in welcher Höhe ist jedoch unbekannt. Sowohl das Missionswerk als auch die Schule sind mehrere Male heftig in die Kritik geraten. «Kwasizabantu» gilt gemäss dem Sekten-Kenner und Journalisten Hugo Stamm als «eine der radikalsten Freikirchen der Schweiz mit fundamentalistischen und sektenhaften Aspekten».
Gemäss ehemaligen Mitgliedern soll im Missionswerk ein äusserst strenges Regime herrschen, das hauptsächlich über Angst und Machtausübung funktioniere: Kritik an der Kirchenleitung werde nicht toleriert, Ehen würden arrangiert und nur mit dem Einverständnis der Seelsorger geschlossen, das Schlagen von Kindern und Jugendlichen sei als Züchtigung ausdrücklich erlaubt, Frauen würden unterdrückt und auf ihre Mutterrolle reduziert. An der «Domino Servite»-Schule würden drakonische Strafen verhängt, «schwierige» Kinder an Schwesterschulen nach Südafrika oder nach Rumänien geschickt, an welchen körperliche Züchtigung zum Alltag gehöre. So ziemlich das Gegenteil des Leitspruches «Begeistern statt Befehlen».
Jürg Läderach mischelt auch in der Politik mit. Die Organisation «Christen für die Wahrheit», die er präsidiert, leitete die Kampagne zur Anti-Abtreibungsinitiative «Für Mutter und Kind», die im Juni 2002 abgelehnt wurde. Weiter sitzt Jürg Läderach im Vorstand der Organisation «Marsch fürs Läbe», deren geplante Veranstaltung in Obwalden kürzlich verboten wurde.
Fragwürdiges Wertegerüst
Zu den Vorwürfen äussert sich die Familie Läderach stets ablehnend und beschwichtigend, wie auch Heinz Baumgartner, Präsident der IVCG Schaffhausen. Er wisse von den Vorwürfen, die von einzelnen Personen stammten, die die Schule und die Gemeinschaft im Streit verlassen hätten, sagt er, kenne aber keine Details. Viel wichtiger für ihn sei, dass das Wertegerüst, welches Johannes Läderach dort mitbekommen habe, seine Persönlichkeit und sein Führungsverhalten geprägt habe: «Begeistern statt Befehlen.»