Amtliche Schikane

24. Juli 2017, Kevin Brühlmann
Die Macht über das Stipendienwesen: Peter Salathé entscheidet allein, wer Ausbildungsbeiträge bekommt.

Dokumente verweigert, Ärzte bevorzugt, Psychospielchen: Die Vorwürfe an den Leiter der Schaffhauser Stipendienstelle sind happig. Das Erziehungsdepartement weist die Kritik zurück. Klar ist: Auch das neue Stipendiendekret des Regierungsrats wird kaum etwas an der heutigen Praxis ändern. Das heisst: Nur ein Mann entscheidet über alle Gesuche.

Schaffhausen ist Spitze für Hochqualifizierte. Wenn man die Rangliste umdreht. Nur 5,4 Prozent aller Studierenden erhalten in Schaffhausen Stipendien. Das ist Schweizer Tiefstwert; über alle Kantone gesehen sind es durchschnittlich 7,3 Prozent (gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2015).

Peter Salathé, Leiter der Stipendienstelle, scheint den Grund dafür zu kennen: Es werden zu wenig Gesuche eingereicht. So seine Standardantwort. Auch die Regierung schlägt in dieselbe Kerbe. Doch ist die Erklärung so einfach?

«Nein», meint zum Beispiel A. (Name geändert). «Das Problem liegt woanders.» Die Studentin hat sich mehrmals vergeblich um Stipendien beworben. Sie musste jeweils einen Termin bei Peter Salathé vereinbaren. Nach langer Wartezeit wurde sie zu ihm ins Büro zitiert. «Ich musste extrem darum kämpfen, dass er mich überhaupt ernst nimmt», sagt A. Sie habe auch das Gefühl gehabt, dass er ihr grundsätzlich nichts geglaubt habe. Die Unterlagen habe Salathé nur kurz angeschaut und dann gesagt: «Das wird schwierig.»

A. meint zudem: «Das Problem ist, dass alles über seinen Tisch geht. Niemand anderes entscheidet, wer Unterstützung erhält – und wer nicht.»

Salathés «Psychospielchen»

Mehrere andere Studierende, mit denen die «az» geredet hat, haben dieselben Erfahrungen wie A. gemacht. In den Gesprächen fallen immer wieder die gleichen Ausdrücke: «total autoritär», «sehr herablassend», «desinteressiert», «undurchsichtig». Eine Person erzählt: «Salathé hat Psychospielchen mit mir gespielt. Er hat mir zum Beispiel Dokumente verweigert, die ich für den Antrag gebraucht hätte.» Auffällig: Vor allem junge Frauen berichten von solchen «Schikanen».

Hinzu kommt: Nicht nur bei der Stipendianten-Quote schneidet der Kanton Schaffhausen sehr schlecht ab. Auch die ausbezahlten Jahresstipendien von durchschnittlich 5’105 Franken pro Bezüger sind im interkantonalen Vergleich gesehen absoluter Tiefstwert (Schweizer Durchschnitt: 7’130 Franken).

Ob der Regierungsrat um den zuständigen Erziehungsdirektor Christian Amsler (FDP) das Problem erkannt hat?

Jedenfalls hat die Regierung ein neues Stipendiendekret ausgearbeitet. Dies auf der Basis des sogenannten Stipendienkonkordats, dem man als 19. Kanton beitreten will. Mit den Neuerungen rechnet der Regierungsrat mit zusätzlichen Ausgaben von 280’000 Franken.

Der Kantonsrat ist am Zug

Sowohl Dekret als auch Beitritt müssen erst noch vom Kantonsrat bewilligt werden. Das wird wohl reine Formsache sein. Stimmt das Parlament den Neuerungen nicht zu, wird der Kanton ab März 2018 keine Bundesgelder mehr erhalten. Denn nur wer die Mindeststandards nach Stipendienkonkordat erfüllt, profitiert weiter davon.

Zurzeit erhält der Kanton rund 245’000 Franken pro Jahr aus Bern – das ist knapp ein Sechstel der 1,58 Millionen, die Schaffhausen 2016 für Stipendien ausgab. Doch was wird das neue Stipendiendekret bringen?

Grosso modo will der Regierungsrat einfach die Mindestanforderungen übernehmen, die das Konkordat vorschreibt. Zum Beispiel die Erhöhung des Höchstalters von bisher 32 auf 35 Jahre, um für Ausbildungsbeiträge infrage zu kommen. Oder die Anhebung der jährlichen Höchstansätze für Stipendien: auf 13’000 für Berufsschüler und Gymnasiasten bzw. auf 16’000 Franken für Studierende.

Auch die Berechnungsgrundlagen sollen überprüft werden. Das heisst, die Lebensunterhaltskosten sowie die «zumutbare Elternleistung» sollen an die «heutigen Verhältnisse angepasst werden» – abhängig von Einkommen und Vermögen. Eine solche neue Verordnung sei aber noch «in Erarbeitung», weshalb die Regierung keine konkreten Angaben dazu machen könne.

«Kritik ist nicht fair»

Genau deshalb bedeutet das neue Dekret weitgehend, dass vor allem die Studierenden, die bereits jetzt Unterstützung vom Kanton erhalten, künftig mehr Geld bekommen. So bleibt das grundsätzliche Problem wohl bestehen: Nur ein sehr kleiner Prozentsatz profitiert von Stipendien. Und wem diese zustehen, entscheidet Peter Salathé.

«Peter Salathé ist die einzige Person im Kanton, die für die Bearbeitung der Stipendiengesuche zuständig ist. Das liegt an der Grösse unseres Kantons», sagt Lukas Hauser, Leiter der kantonalen Dienststelle Mittelschul- und Berufsbildung. Er vertritt Christian Amsler, der sich in den Ferien befindet. Auch Salathé selbst verweist an Hauser. «Die Kritik am Schaffhauser Stipendiensystem an einer Person festzumachen, halte ich nicht für fair», meint Hauser. «Peter Salathé ist lediglich ausführend tätig. Sein Spielraum ist sehr klein, das geltende Recht legt fest, nach welchen Kriterien Stipendien vergeben werden.»

Und weiter: Er stehe hinter seinem Mitarbeiter, mehr könne er zu den Vorwürfen der Studierenden ohne Kenntnis der jeweiligen Fälle nicht sagen. Nur so viel: «Ich kann Ihnen genauso viele Stipendienbezüger zeigen, die mit den Dienstleistungen zufrieden sind. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, dem steht es jederzeit offen, gegen eine Entscheidung Einsprache zu erheben.»

Bevorzugung von Ärzten?

Studentin B. (Name geändert) ist alles andere als zufrieden. Bevor sie zu Salathé ins Büro ging, um sich für ein Stipendium zu bewerben, habe ihr Vater noch gesagt: «Du wirst eh nichts kriegen, weil mich Salathé nicht mag.» Im Büro angekommen, sei der Dienststellenleiter zwar nicht unfreundlich gewesen, habe ihr jedoch gesagt: «Sie studieren Soziale Arbeit, das wird leider nichts. Würden Sie Architektur oder Medizin studieren, hätten wir dafür einen Topf.»

Dies, obschon es für die Bevorzugung einer bestimmten Studienrichtung oder Hochschule keine gesetzliche Grundlage gibt. Im noch gültigen Stipendiendekret ist lediglich die Rede davon, dass «jeder Absolvent» Anspruch auf Ausbildungsbeiträge habe – unabhängig vom Fach.

B. erhielt später einen Brief von Peter Salathé: Ihr Gesuch wurde abgelehnt.