Zwischennutzer, zeigt euch!

8. Juni 2017, Marlon Rusch
Kammgarn West
Kammgarn West

Marlon Rusch glaubt zu wissen, wie potenzielle Zwischennutzer ans Ziel kommen.

Heute, Donnerstag, 17 Uhr, findet im Kammgarn- Westflügel eine Infoveranstaltung zur geplanten Zwischennutzung statt. Doch der Anlass ist  viel mehr als das. Vielleicht ist er die Nagelprobe aufs ganze Projekt.

Was der Stadtrat offiziell anbietet, ist eine Mogelpackung: Ein Stockwerk der ehemaligen Spinnerei kann für zwei Jahre zwischengenutzt werden. Da die Stadt einmalig 100’000 Franken aufwenden muss, um die Halle in Betrieb nehmen zu können, muss derselbe Betrag in Form von Miete wieder zurückfliessen. Jährlich!

Die aufwändige Administration will der Stadtrat aber nicht selber übernehmen, er will die Verantwortung dafür an einen Trägerverein abtreten, den es noch gar nicht gibt. Dieser Verein muss dem Stadtrat garantieren, dass die 60 Franken pro Quadratmeter (bei 1’600 Quadratmetern rund 100’000 Franken) auch flächendeckend eingetrieben werden. Freiwillige vor …

Bedenkt man, dass die Stadt für den heutigen Leerstand der Hallen jährlich gemäss Stadtrat Daniel Preisig «über 100’000 Franken» aufwenden muss, liegt der Schluss nahe, dass die Stadt mit der Zwischennutzung in erster Linie Geld verdienen will. Und wenn sich dann wider Erwarten doch niemand finden lässt, der das Risiko auf sich nimmt und das Projekt umsetzt, sind die Kulturschaffenden eben selber schuld und das leidige Thema Zwischennutzung ist vom Tisch.

Es gibt aber auch eine zweite Lesart, eine weniger offizielle: Daniel Preisig hat sich im Parlament öffentlich zur Zwischennutzung bekannt, hat Medienmitteilungen verschickt und zur Infoveranstaltung geladen. Ein Zurück gibt es eigentlich nicht mehr. Der Stadtrat sitzt nun mit den potenziellen Zwischennutzern im selben Boot. Das bedeutet: jetzt wird verhandelt.

Inoffiziell ist längst Konsens, dass die Zwischennutzung länger als zwei Jahre dauern wird. Man kann wohl von etwa fünf Jahren ausgehen, bevor die Hallen dauerhaft genutzt werden können. Sogar der Stadtrat spricht hinter vorgehaltener Hand bereits von mindestens drei Jahren. Das bedeutet noch mehr Zeit, die Investitionskosten zu amortisieren. Das perfekte Argument, den Quadratmeterpreis von aktuell jährlich 60 Franken runterzuhandeln.

So würde der Trägerverein, der sich wohl aus dem Dunstkreis des Kulturbündnisses konstituieren wird, ein Stück weit entlastet. Für Kulturschaffende wäre die Zwischennutzung attraktiver, die Nachfrage wäre grösser.

Und auch Start­ups und andere KMU hätten einen grösseren Anreiz, wenn sie wüssten, dass ihr Engagement in der Kammgarn nicht nur ein zweijähriges Gastspiel wäre.

Die Kosten der Stadt wären noch immer gedeckt, und muss man denn mit dieser Zwischennutzung wirklich Geld verdienen?
Würde der Stadtrat mutig hinstehen und von Anfang an attraktive Bedingungen offerieren, wäre eine lebendige, strahlkräftige Zwischennutzung vermutlich ein Selbstläufer und man würde für einmal nicht nur muslimischer Schüler wegen über das Städtli am Rhein sprechen.

Der Stadtrat hat es nicht getan. Also müssen die Kulturschaffenden eben dafür kämpfen. Und diesmal stehen die Chancen tatsächlich gut, die Stadt, so lässt sie durchblicken, ist bereit zu verhandeln.

Eine gute Verhandlungsposition hat man aber nur, wenn man zeigt, dass die Zwischennutzung auch tatsächlich ein Bedürfnis ist. Der Stadtrat wird genau hinschauen, wer heute an diesen Infoanlass kommt. Wenn er sieht, dass sich nur eine Handvoll müde Nasen für das Projekt interessiert, gibt es vielleicht doch auf einmal ein Zurück.