Sie haben ihm zu sehr vertraut

27. April 2017, Marlon Rusch
Josef Tschirky 2012 in seinem Reich, das nun gewinnbringend an die EKS AG verkauft wurde.
Josef Tschirky 2012 in seinem Reich, das nun gewinnbringend an die EKS AG verkauft wurde.

Die Geschichte des Wärmeverbunds Lohn begann vor sechs Jahren als grünes Heilsversprechen. Übrig geblieben sind hohe Rechnungen und Frust für die Bezüger – und ein satter Gewinn für die Aktionäre.

Erich Ehrat droht vor Wut zu platzen. Man braucht nur zu sagen, man würde sich gerne über den Wärmeverbund Lohn unterhalten, schon sprudelt es aus ihm heraus: «Absolute Katastrophe! Wir sind betrogen worden!». Man solle seinen Namen ruhig in die Zeitung schreiben, er stehe zu dem, was er sage: «Solche Leute sollte man bestrafen!»

Mit «solche Leute» meint Ehrat den Geschäftsführer des Tonwerks Lohn, Josef Tschirky. Über ihn hat die «az» vor fünf Jahren geschrieben, er sei «das Herz des Wärmeverbunds Lohn». Er sei «einer, der die richtigen Fragen stellte» und dann eine «Erfolgsgeschichte» schrieb.

Damals, 2012, haben rund dreissig Hauseigentümer Wärmelieferverträge mit dem neu gegründeten, privat organisierten Wärmeverbund Lohn unterschrieben. Neben Privatpersonen wie Erich Ehrat vertraute auch die Gemeinde auf ein neues Konzept, das sich tatsächlich bestechend anhörte.

Holzschnitzel aus den Lohnemer Wäldern sollen in Heizkesseln verbrannt werden. Mit der CO2-neutralen Wärme würde man jährlich 200’000 Liter Heizöl ersetzen können. Wärme – aus der Region für die Region. Der Initiant: Josef Tschirky.

Beim Werksbesuch hat er der «az» damals erzählt, die Idee für den Wärmeverbund habe er spontan an einer Gemeindeversammlung entwickelt und sei dann auch gleich vom versammelten Dorf mit der Umsetzung betraut worden.

Tschirky, bereits damals nahe am Pensionsalter, aber ausgesprochener Machertyp, fackelte nicht lange. Er gründete eine Aktiengesellschaft, plante, baute, weibelte und bald schon konnte die neue Anlage in einem Nebengebäude des Tonwerks eingeweiht werden.

Die Gemeinde schloss das Gemeindehaus, das Schulhaus und den Kindergarten an den Wärmeverbund an, was dieser als Verkaufsargument nutzte, um weitere Bezüger zu akquirieren. Alles lief wie am Schnürchen – bis die ersten Rechnungen in die Häuser der Bezüger flatterten.

Die «az» sprach mit einer Handvoll von ihnen. Sie alle sagen, die rosigen Versprechungen, mit denen sie von Tschirky geködert wurden, seien nie eingelöst worden.

Undurchsichtige Zahlen
«Uns wurden falsche Daten geliefert», sagt etwa der Besitzer von vier Mietwohnungen, die am Wärmeverbund angeschlossen sind. Heute bezahle er über die Hälfte mehr für die Wärme als zuvor. «Machen Sie das mal Ihren Mietern klar…» Der Besitzer hat sich entschieden, den Mehraufwand selber zu tragen. «Im Nachhinein hätte ich nie und nimmer mitmachen sollen.»

Der eingangs erwähnte Erich Ehrat sagt gar, seine Rechnung sei heute 70 Prozent teurer als vor dem Wärmeverbund. Und das sei alles nur passiert, weil er, der selbst aus der Baubranche komme, die Sache zu wenig konzentriert geprüft habe. «Ich könnte mir die Haare ausreis­sen.»

Ein dritter Hauseigentümer gibt zu, er habe schon gewusst, dass die Wärme unter Umständen etwas teurer werden könne als bis anhin mit der alten Ölheizung. Doch weil der Wärmeverbund ja eine «gute Sache» sei und als solche verkauft wurde, habe er sich entschieden, dennoch mitzumachen. Heute würde er aber deutlich mehr bezahlen als Tschirky ihm damals vorgerechnet habe. «Die Bezüger, wir alle, sind erschrocken, als die ersten Rechnungen kamen.»

Nicht nur Privatpersonen, auch die ­Gemeinde ist unzufrieden. Präsidentin Vreni Wipf bringt es auf den Punkt: «Wir waren alle zu leichtgläubig.» Keiner der Bezüger sei Experte im Bereich Fernwärme. Also habe man Josef Tschirky vertraut, der den Anschein gemacht habe, die Kosten seriös abgeklärt zu haben.

Man darf sich eine Gemeinde in Aufbruchstimmung vorstellen. Da serviert einer eine gute Idee, grün gedacht, lokal umgesetzt, und anerbietet sich gleich auch, sie umzusetzen – da will niemand Spielverderber sein.

Ein entnervter Josef Tschirky sagt heute am Telefon: «Die Leute haben einen Vertrag unterschrieben – Ende der Durchsage!» Konkrete Fragen will er keine beantworten, auch nicht zu einem weiteren Punkt, der die Lohnemer Gemüter in ­wenigen Wochen noch stärker erhitzen dürfte als die hohen Tarife.

Das Leitungsnetz kurz nach dem Start 2012, mit der Heizzentrale (rot) und 31 angeschlossenen Liegenschaften.

Das Leitungsnetz kurz nach dem Start 2012, mit der Heizzentrale (rot) und 31 angeschlossenen Liegenschaften.

Erneut überrumpelt
Ende Mai findet in Lohn die alljährliche Gemeindeversammlung statt, wo auch die Rechnung des vergangenen Geschäftsjahres präsentiert wird. Einem Posten dürfte dabei erhöhte Aufmerksamkeit zukommen: Einnahmen von 54’000 Franken aus den Aktien des Wärmeverbundes, der im Sommer 2016, ohne grosses Aufsehen zu erregen, an die EKS AG verkauft wurde.

Der Verkauf wurde im Juli 2016 in einem Brief an die Bezüger damit begründet, dass Verwaltungsratspräsident Josef Tschirky sich «langsam in den wohlverdienten Ruhestand» verabschieden will. Alle Aktionäre, so der Brief weiter, hätten sich für den Verkauf ans EKS entschieden. Mehrere Bezüger sagen gegenüber der «az», sie seien erst informiert worden, als der Verkauf bereits abgewickelt gewesen sei. Einer behauptet, er habe gar erst aus der Zeitung davon erfahren.

Selbst die Gemeinde als Aktionärin fühlte sich überrumpelt. Gemeindepräsidentin Vreni Wipf erinnert sich, zur besagten Aktionärsversammlung sei nur ­einige Tage vorab eingeladen worden. Sie selbst als Vertreterin der Gemeinde sei dementsprechend verhindert gewesen. Ihr Stellvertreter nicht mit der Materie vertraut. Erneut seien die Aktionäre überrumpelt und zum Verkauf gedrängt worden. Auch die Gemeinde habe schliesslich zugestimmt. Der Verkauf musste einstimmig beschlossen werden – da wollte niemand Spielverderber sein.

Was Vreni Wipf besonders merkwürdig fand: Den Aktionären wurde gesagt, sie müssten den Verkauf geheim halten. Die Bezüger sollten vorerst nichts davon erfahren. Der Käufer, so Josef Tschirky, wolle das so.

Geheimniskrämerei
Wenig später wurden die Bezüger vom Käufer informiert und gleichzeitig aufgefordert, das Servitut für die Leitungen, die durch ihren Boden verlaufen, im Grundbuch an die EKS AG zu überschreiben. Dem kamen die Bezüger nach. Doch es machte sich Misstrauen breit.

René Ehrat, ein weiterer Bezüger, sagt, er mache sich Sorgen, wie sich die Sache entwickle, nun, wo sie aus der Hand gegeben wurde. Damit ist er nicht allein. Die Verträge, die meist für mehrere Dekaden abgeschlossen wurden, wurden integral vom EKS übernommen. Dennoch bleiben diffuse Ängste. Die Geheimniskrämerei von Josef Tschirky hat nicht gerade dazu beigetragen, das bereits angeschlagene Vertrauen in den teuren Wärmeverbund wiederherzustellen. Warum hat er nichts gesagt? Was will er verheimlichen?

Auch das EKS gibt sich wortkarg. Von den Vorwürfen, die Wärmepreise seien zu hoch, will es nichts wissen. Ebenso vom Unmut der Bezüger, die sich hintergangen fühlen. Mediensprecherin Juliane Huber schreibt, die Wärmepreise seien fair und gälten weiterhin wie vertraglich mit den Kunden vereinbart.

Nichts sagen will sie zum Preis, den das EKS für den Wärmeverbund bezahlt hat. Man habe Stillschweigen vereinbart. Die Gemeinde, die einen Zehntel des Aktienkapitals von 250’000 Franken besass, bekam dafür 54’000 Franken. Das entspricht 216 Prozent des Aktienwerts. Wie der hohe Kaufpreis zustande kam, will das EKS nicht kommentieren.

Im Gegensatz zu den Bezügern konnten sich die Aktionäre durchaus über den Verkauf des umstrittenen Wärmeverbundes freuen. Einer der Hauptaktionäre:
Josef Tschirky.