It’s a bloody business, baby

7. März 2017, Romina Loliva
Machismo gehört in die Tonne. In Portugal (auf dem Foto in Vila Nova de Gaia) macht man es vor.
Machismo gehört in die Tonne. In Portugal (auf dem Foto in Vila Nova de Gaia) macht man es vor.

Solange Menstruationsblut blau ist, die Vagina ‹Schlitz› genannt wird und Frauen im Ausgang gefragt werden, wo ihre Kinder sind, ist der Kampf um die Selbstbestimmung der Frau nicht zu Ende. ­Feminismus hilft, auch den Männern.

«On ne naît pas femme, on le devient.»

«Man ist nicht als Frau geboren, man wird es.»

Simone de Beauvoir

«Wer menstruiert schon blau?!» Als Manuela Bührer diese Frage stellt, müssen wir alle laut lachen. Der Zigarettenrauch sticht in die Nase, das Bier und der Wein lockern die Zungen: Ja, wer menstruiert schon blau? Die Frau, die das schafft, ist ein wahres Wunder und sollte dringend ärztlich untersucht werden. Und die Frau, die während ihrer Menstruation in purer Glückseligkeit aufgeht, weil sie eine Windel trägt – «und niemerd ­merkts (Augenzwinkern)» – ist total bescheuert und eine reine Erfindung der Werbeindustrie, die uns vorgaukeln will, dass Frauen ausnahmslos – und darum auch während der «Mens» – frisch, sexy, sauber und zufrieden sind. Tampons, Binden und Einlagen helfen natürlich dabei. Wer schon mal das Vergnügen der Periode hatte, und das ist immerhin die Hälfte der Weltbevölkerung, weiss, dass das Fröhlichste an einer Binde die komischen Flügel sind, die nie kleben bleiben. Die Menstruation ist in der Tat eine schmierige, oft schmerzvolle Angelegenheit, sie kann nerven und schlechte Laune verursachen.

Und sie ist rot, it’s a bloody business, baby, und wir zwinkern dabei sicherlich nicht. Was soll also das Theater? Um das unsägliche Rumgedruckse um die «besonderen Tage der Frau»? Ich hatte als Jugendliche eine Lehrerin, die mal meinte: «Hast du wieder Besuch vom roten Indianer?» Jawohl. Darum braucht es den Feminismus. Zu diesem Schluss kommen wir an diesem Abend immer wieder.

Stereotypen infrage stellen
Aber von Anfang an: Am 8. März feiert die Welt den internationalen Frauentag. An diesem Tag geht es um die Rechte der Frauen, um ihre Gleichstellung, um ihre Würde, um ihre Selbstbestimmung. In weiten Teilen der Welt geht es um das Recht, geboren werden und leben zu dürfen, um das Recht auf Bildung und auf Arbeit. Worum geht es in der Schweiz? Und wozu ist Feminismus in Schaffhausen gut? Für die Frauen der Aktivistinnengruppe «Frauenstammtisch Schaffhausen» geht es um gleiche Rechte für alle, also um Solidarität. Der Verein setzt sich für eine stärkere Vertretung von Frauen in Politik, Wirtschaft und Kultur ein und organisiert immer wieder Aktionen, unter anderem auch am 8. März. Dieses Jahr steht ein rauschendes Fest auf dem Plan, mit einer Lesung und zwei Musikacts. Zum ersten Mal tritt ein Mann auf: «Aber nur, weil er Frauenkleider trägt», erklärt Manuela Bührer. Die Drag-Queen Mona Gamie wird ihr Pop-Repertoire zum Besten geben, «ob die Frauenkleider eine Bedingung sind, haben wir noch nicht abschliessend diskutiert», sagt Angela Penkov darauf. Sind die Rechte der Frau an das biologische Geschlecht geknüpft? Nein, meint Isabelle Lüthi: «Der Feminismus ist auch da, um Geschlechterstereotypen infrage zu stellen».

Die Stimme der Frauen hören
Die drei Frauen, die in Schaffhausen politisch, sozial und kulturell engagiert sind, sind nicht immer gleicher Meinung. Aber sie hören zu, gehen auf Argumente der anderen ein, lassen sich auch nach dem dritten Glas gegenseitig ausreden. Respekt ist für sie Programm. Weil sie das in männerdominierten Runden vermissten, haben sie den Frauenstammtisch gegründet: «Wir brauchten Raum», erzählt Bührer, Raum, um den Frauen eine Stimme zu geben und um ihre Anliegen besser zu artikulieren, Lösungen zu suchen.

Geht das nicht auch mit den Männern? «Das wäre ideal. Aber leider zeigt die Erfahrung, dass die Frauen sich immer wieder Gehör verschaffen müssen, es wird ihnen nicht einfach so gewährt», meint Manuela Bührer.

Dass das nicht nur eine vage Empfindung von Frauen ist, die Schwierigkeiten haben, ihre Meinungen und Ideen zu platzieren, zeigen auch etliche soziologische Studien: «Das Phänomen nennt sich Homosozialität und beschreibt die Tendenz, intensive Beziehungen mit Angehörigen desselben sozialen Geschlechts einzugehen. Buben spielen mit Buben, Mädchen mit Mädchen. Das bleibt auch im Erwachsenenalter bestehen», erklärt Isabelle Lüthi, «und solange Frauen im öffentlichen Leben in der Minderheit sind, macht diese Tatsache es schwierig, wahrgenommen zu werden», ergänzt Angela Penkov. In Schaffhausen zeigt sich das am geringen Anteil Frauen in der Politik und in der Kultur, oder daran, wie klein ihre Medienpräsenz ist. Wenn in der Öffentlichkeit über Frauen gesprochen wird, dann ist es immer etwas Spezielles: «Steht eine reine Frauenband auf einer Bühne, dann wird das als Überraschung empfunden, dann wird das hervorgehoben. Das ist vielleicht nett gemeint, aber grundsätzlich ist das sexistisch», sagt Penkov.

Wie auch die Frage, die sie immer wieder im Ausgang zu hören bekommt: «Und wo ist dein Sohn? – Besonders komisch wird es, wenn die fragende Person selbst Vater ist. Mittlerweile frage ich zurück, und wo sind deine Kinder?», erzählt sie. Muss man sich so etwas gefallen lassen? Eigentlich nicht, auch wenn es nur gut gemeint ist. Darum braucht es den Feminismus und eine Gleichstellungspolitik, die auch Männer tangiert: «Wäre die Familienarbeit nicht nur Frauensache, würde man diese Frage vielleicht irgendwann nicht mehr stellen», ist Penkov überzeugt. Vaterschaftsurlaub, Elternzeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssten dringend aufs Tapet kommen. «Wenn Männer merken, dass Frauenpolitik auch sie betrifft, dann interessiert es sie eher.»

Gibt es keine Feministen? «Ja, es gibt sie», meint Isabelle Lüthi, und es gebe auch viele Männer, die einen Sensibilisierungsprozess durchmachten, oft, weil sie mit Feministinnen zu tun hatten: «Ich habe einige Freunde, die früher richtige Machos waren. Mit der Zeit haben sie realisiert, dass Frauendiskriminierung keine Meinung ist, sondern eine Realität.» Für den Frauenstammtisch habe bisher aber kein Mann Interesse bekundet.
Feministin zu sein, bedeute auch Arbeit, finden die drei Frauen. «Man darf nicht aufhören zu kämpfen», sagt Manuela Bührer, auch wenn man allein ist.

«Für diese Momente hilft es, eine Poesie des Fuck you zu entwickeln und in sich zu tragen wie ein Mantra…»

Margarete Stokowski

Der Kampf ist dann oft subtil, leise, mühsam und entmutigend. Es geht darum, sich auf dem Heimweg nicht blöd anmachen zu lassen, beim sexistischen Witz nicht mitzulachen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit einzufordern, das Kind vom Vater aus dem Kindergarten abholen zu lassen. Auch wenn man dann bei einigen als Rabenmutter, spassbefreite Emanze oder geldgierige Schlampe gelte. In solchen Momenten macht sich Einsamkeit breit. Es gibt Situationen, in denen es einfacher ist, nichts zu sagen: «Aufgeben wäre grundlegend falsch», sagt Isabelle Lüthi, aber was soll man nur tun? Das Zauberwort heisst Emanzipation. Man muss für sich einstehen und es geniessen. Die deutsche Journalistin Margarete Stokowski schlägt in ihrem Buch «Untenrum frei» vor, eine Poesie des «Fuck You» zu entwickeln. Wenn Donald Trump sagt: «Grab’em by the pussy, you can do anything», dann heisst es «the pussy grabs back».

Leidenschaftlich, laut, bunt. Der «Women’s March», der am 21. Januar 2,5 Millionen Menschen weltweit mobilisierte, elektrisiert auch die Schweiz und ebenso die Frauen in Schaffhausen. Die eigenen Erfahrungen mit anderen zu teilen, sei extrem wertvoll: «Zu wissen, dass es nicht nur mir so geht, macht Mut», sagt Angela Penkov, «und es macht Spass». Wie der Flashmob von Zürcher Aktivistinnen, die das Wasser von verschiedenen Brunnen rot eingefärbt haben, um den Umgang mit der Menstruation zu thematisieren.

Die Macht von Sprache und Bild
Und da wären wir wieder bei all dem, was mit dem weiblichen Körper zu tun hat. Die Frau ist ständig als Objekt der Begierde im Fokus; wenn es aber darum geht, den realen Frauenkörper wahrzunehmen, flüchtet man sich in Zweideutigkeiten. «Alle können einen Penis malen. Aber wie eine Vulva aussieht, wissen oft sogar Frauen nicht», sagt Lüthi, «es gibt solche, die zu den eigenen Geschlechtsorganen Fudi sagen». Wörter wie Vagina, Klitoris, Venushügel gehen nur schwer und oft nur in einem medizinischen Kontext über die Lippen. «Milf» jedoch (Mom I’d Like to Fuck) ist ein gängiger Begriff auf dem Pausenplatz unserer Schulen.

Darum jetzt eine kleine therapeutische Massnahme. Alle bitte laut vorlesen: ­VAGINA. Es tut nicht weh, keine Angst, es könnte sich höchstens ungewohnt anhören, mit der Zeit wird es aber normal. Feminismus bedeutet auch, sich der Sprache zu bemächtigen und Dinge beim Namen zu nennen. Wir müssten Wörter wie ‹Schlitz›, ‹Scham›, ‹Muschi› oder noch schlimmer ‹Fotze› mit den richtigen Begriffen ersetzen, finden Bührer, Penkov und Lüthi, auch den Männern zuliebe. So verschwinden irgendwann auch Begriffe wie ‹des Mannes bestes Stück› und ‹Gemächt›, die das Bild des vor Virilität strotzenden Mannes transportieren, der immer kann und will, und die zu einer grossen Verunsicherung bei Männern führen können. «Obwohl dafür oft dem Feminismus die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Es heisst, Männer kämen mit ihrer sogenannten ‹neuen Rolle› nicht zurecht, weil die Frauen erstarkt seien», sagt Isabelle Lüthi, «dass Rollenbilder auch für Männer problematisch sind, ist wahr. Den Grund im Feminismus zu suchen, ist aber falsch, Feministinnen wollen Rollenbilder hinterfragen und demontieren.»

Das macht man am effektivsten, indem man darüber spricht und die Konsequenzen konkret aufzeigt, quasi am lebenden Objekt. Und dann, zwischen Bier, Wein und Zigaretten, taucht sie wieder auf, eine alte Idee aus dem Frauenstammtisch: Mee Buuse für Schaffhuuse. Kleine und grosse Brüste, symmetrisch oder auch nicht, spitz und rund, dunkel und hell, faltig und straff, Brüste à gogo, um vorherrschende Bilder zu demontieren. Eine Ausstellung für Schaffhausen und für sich selbst. Wer weiss, vielleicht hängt sie bald, ganz ohne Augenzwinkern. Weil wir mehr Feminismus brauchen.

«I need no permission, did I mention»

«Ich brauche keine Erlaubnis, erwähnte ich das?»

– Beyoncé