Nichts als heisse Luft

2. März 2017, Marlon Rusch
Auf «Tele Züri» behauptet Zehnder nach wie vor, er wisse von «weiteren Fällen». Mit der «az» spricht er nicht mehr.
Auf «Tele Züri» behauptet Zehnder nach wie vor, er wisse von «weiteren Fällen». Mit der «az» spricht er nicht mehr.

Nun bestätigt sich: Die Interpellation von Edgar Zehnder war unbegründete Panikmache. In keinem Schaffhauser Schulhaus gibt es ein Sicherheitsproblem. Der SVP-Grossstadtrat zeigt sich uneinsichtig.

Sie konnte die Genugtuung nicht gänzlich verbergen. Nachdem Katrin Huber von der Tagespresse tagelang drangsaliert worden war, durfte die Schulpräsidentin an der Pressekonferenz vom vergangenen Freitag endlich zum Befreiungsschlag ausholen. Und der sass.

Die Abklärungen, die der Stadtschulrat getroffen hatte, hätten gezeigt: «Es gibt kein Sicherheitsproblem an unseren Schulen.» Dies gehe aus den Berichten der Vorsteher aller 15 städtischen Schulhäuser hervor. Es habe diesen einen Fall im Bachschulhaus gegeben (siehe «az» von letzter Woche). Mehr nicht. Der Stadtschulrat habe rechtzeitig und korrekt reagiert, sagt Katrin Huber. «Wir hatten die Situation unter Kontrolle, bevor es diesen unnötigen Vorstoss gegeben hat.»

Sie übergab das Wort dem für das Bachschulhaus zuständigen Stadtschulrat Ernst Sulzberger. Seine Ausführungen der Geschehnisse zeigten, dass Zehnder seine Interpellation einzig aus besagtem Fall kompiliert hatte. Einige Beispiele:

• Ja, man liess den Schüler während der Pausen beten. Das kann man einem Schüler kaum verbieten. Dafür gab es aber kein eigenes Zimmer. Gebetsräume, wie sie Zehnder vermutet, gibt es an keiner Schaffhauser Schule.

• Es sind keine Lehrpersonen und Schüler mit Waffen bedroht worden. Der Schüler habe einmal einem Mitschüler ein Rüstmesser gezeigt, das er auf sich getragen habe. Damit ist aber niemand bedroht worden. Ausserdem hat der Schüler gegenüber Lehrpersonen keine Drohungen ausgesprochen.

• Die «extremistische Terror-Propaganda» (Interpellation Zehnder) bezieht sich auf einen Besuch des Schülers auf der Homepage des Islamischen Zentralrats Schweiz. Weitere ähnliche Fälle sind nicht bekannt.

Mädchen tragen keinen Niqab
Edgar Zehnder hat das Thema Islam ausgeschlachtet. Neben den «Gebetsräumen» und der «Terror-Propaganda» schreibt er etwa, mehreren Mädchen sei aus nächster Nähe ins «nicht verhüllte Gesicht gespuckt» worden. Dies suggeriert, dass er die Mädchen nur angespuckt habe, weil sie keine Burka und keinen Niqab trugen. De facto trägt in Schaffhauser Schulen kein einziges Mädchen eine Gesichtsverschleierung. Ausserdem fragt Zehnder den Stadtrat in der Interpellation, ob «die Bedrohungslage nach Nationalität» zugeordnet werden könne.

Damit konfrontiert, sagte er vergangene Woche gegenüber der «az», er werde fälschlicherweise als fremdenfeindlich dargestellt. Die Aufschlüsselung nach Nationalität fordere er, um zu zeigen, dass auch Schweizer Schüler zu den Tätern gehörten.

Edgar Zehnder lässt sich auch von den Ausführungen von Katrin Huber und Ernst Sulzberger nicht beeindrucken, die zeigen, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Im Interview mit «Tele Züri» behauptet er nach der Pressekonferenz erneut, er wisse von weiteren gravierenden Fällen, bei denen es Strafanzeigen gegeben habe. Wie bereits vergangene Woche im Gespräch mit der «az» will er dies aber nicht weiter präzisieren. Damals behauptete er, er könne nicht näher auf die Fälle eingehen, weil Aussagen zurückgezogen worden sein.

Nach der Pressekonferenz will der SVP-Grossstadtrat mit der «az» überhaupt nicht mehr sprechen. Es sei denn, ihm werde der gesamte Artikel vor dem Abdruck zum Gegen­lesen vorgelegt. Die «az» bietet ihm an, dass er seine Zitate gegenlesen dürfe, wie das jeder Gesprächspartner darf. Doch Zehnder beharrt auf seiner Forderung und antwortet: «Sie schreiben ja sowieso, was Sie wollen. Es wird nur gelogen.» Dann beendet er das Gespräch. Zehnder, der nach den pauschalen Anschuldigungen eigentlich in der Bringschuld wäre, diese zu belegen, macht nicht den Anschein, als hätte er genügend Argumente, seine Position zu verteidigen.

«Würde wieder so handeln»
Obwohl sich der Stadtschulrat bestätigt sieht, will er den Fall im Bachschulhaus nicht bagatellisieren. Ernst Sulzberger sagte, es gebe tatsächlich Anzeichen dafür, dass sich besagter Schüler radikalisiert habe. Auch habe er Mitschülerinnen und Mitschüler geschlagen und bespuckt. Daraufhin wurde er suspendiert und bekam Arealverbot für das Bachschulhaus. Die Suspendierung des Schülers sei während der Aufarbeitung des Falles verlängert worden. Derzeit prüften die Behörden eine Time-out-Lösung. Der Schüler, der im Sommer sein 9. Schuljahr abschliesst, wird gemäss Ernst Sulzberger nicht mehr ins Bachschulhaus zurückkehren.

Katrin Huber sagte an der Pressekonferenz, rückblickend betrachtet, habe sie die Situation zu Beginn «vielleicht unterschätzt». Mit dem Kenntnisstand, den sie im Dezember hatte, als sie auf den Fall aufmerksam gemacht wurde, würde sie heute aber wieder genauso handeln.

Ob Edgar Zehnder die Interpellation erneut schreiben würde, wenn er wüsste, wie ihm seine Argumente sogleich um die Ohren fliegen, bleibt sein Geheimnis.

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Kommentar

Zwischenfälle wie jene im Bachschulhaus kann man nicht gänzlich verhindern; doch es gibt Möglichkeiten zur Prävention. An vorderster Front arbeitet die Schulsozialarbeit. Als deren Pensum in der Budgetdebatte im Grossen Stadtrat um 80 Stellenprozent hätte erhöht werden sollen, sprach sich die SVP im November 2016 aber geschlossen dagegen aus. Dazu Markus Leu in der Fraktionserklärung: «Je mehr Sozialarbeiter wir in die Schule schicken, desto mehr Probleme gibt es dort.»

Dass in Fällen wie jenem im Bachschulhaus nicht sofort reagiert wird, wie Edgar Zehnder es fordert, liegt an den langen Wegen. Bis der Stadtschulrat eingeschaltet ist, einen Überblick hat, sich mit allen Beteiligten besprechen und schliesslich handeln kann, verstreicht wertvolle Zeit. Schulleiter, die nah dran sind und handlungsfähig, würden das Problem entschärfen. Als die Stadt vor sieben Jahren geleitete Schulen einführen wollte, fand die SVP aber, die Qualität des Schulunterrichts sei «primär eine Frage der Lehrerpersönlichkeit und nicht der Strukturen», und lehnte die Vorlage einstimmig ab.

Das Problem, das die SVP anprangert, hat sie selbst verursacht.

Marlon Rusch