Angestellte der Firma Generis AG sind an den meisten grossen Projekten der Regional- und Standortentwicklung (RSE) beteiligt. Das lasche Schaffhauser RSE-Gesetz lässt das zu.
Anruf bei Roger Roth, Geschäftsführer des Industrie- und Technozentrums Schaffhausen (ITS). Das Telefon klingelt, jedoch nimmt nicht Roth den Hörer ab, sondern jemand von der Firma Generis. Eine Überraschung ist das nicht, denn die Grenzen zwischen Generis und ITS sind fliessend.
Die Generis ist die Schaltzentrale, wenn es um wirtschaftspolitische Fragen im Kanton Schaffhausen geht. Die Firma ist im Auftrag des Kantons für die Wirtschaftsförderung in der Region zuständig und erhält dafür pro Jahr rund drei Millionen Franken. Dazu hat sie auch das Mandat für den Betrieb der Geschäftsstelle der Regional- und Standortentwicklung (RSE). Sie agiert damit zwischen dem Schaffhauser Regierungsrat, der unterstützungswürdige Projekte bewilligt und Kantonsgelder spricht, und den Empfängern dieser Gelder (siehe auch «az» vom 28. Juli 2016).
Finanziell lukrative Projekte
Eine Organisation, die in der Vergangenheit regelmässig mehrere Hunderttausend Franken an Subventionen von Bund und Kanton erhalten hat, ist das anfangs genannte ITS. Teil des ITS sind wiederum das International Packaging Institute (IPI) und «Rhytech Materials World», die ebenfalls schon RSE-Gelder erhalten haben. Das geht aus den Daten hervor, die der «Tages-Anzeiger» der «az» auf Anfrage zur Verfügung gestellt hat. Der «Tages-Anzeiger» hatte letzte Woche unter dem Titel «Firma kann sich selbst Bundesgelder zuleiten» berichtet, wie die Bundesgelder zur Förderung der Regional- und Standortentwicklung im Kanton Schaffhausen verteilt werden.
Beim ITS sind mit Geschäftsführer Roger Roth und Projektleiter Dieter Franzke zwei Personen federführend, die auch bei der Generis arbeiten – bei der gleichen Firma, bei der auch Patrick Schenk, der Leiter der RSE-Geschäftsstelle, angestellt ist. Insgesamt sind Generis-Angestellte in mindestens einem Viertel aller RSE-Projekte von 2008 bis 2015 involviert. Und es sind vor allem finanziell lukrative Projekte. 4,5 der bis jetzt 8,5 Millionen Franken an genehmigten Bundesgeldern flossen in diese Projekte.
Beteiligte sehen kein Problem
Ist es ein Problem, dass der RSE-Geschäftsleiter dem Regierungsrat Projekte zur Bewilligung vorschlägt, bei dem seine eigenen Arbeitskollegen tätig sind? Patrick Schenk schreibt: «Die Förderung des ITS untersteht der Kontrolle des Volkswirtschaftsdepartements. Die RSE-Geschäftsstelle stellt selber keine Anträge. Sie ist Anlaufstelle und Ansprechpartner für Projektträger wie das ITS und nimmt deren Anträge auf Förderbeiträge entgegen. Das Volkswirtschaftsdepartement prüft die gesetzlichen Voraussetzungen für Förderbeiträge. Gestützt auf den Bericht und Antrag des Volkswirtschaftsdepartements entscheidet die Regierung über die Förderbeiträge.»
Auch das ITS sieht darin kein Problem. ITS-Präsident Markus Spingler schreibt: «Der Vorstand des Vereins ITS hat die Generis AG auf Mandatsbasis mit der Geschäftsführung beauftragt und ist überzeugt, mit ihr den richtigen Partner gewählt zu haben. Die Schaffhauser Industrie bzw. die über 40 Mitglieder des ITS sind sehr zufrieden mit der Entwicklung und den innovativen Angeboten des ITS.»
Spingler weist zudem auf das Schaffhauser Gesetz zur Förderung der Regional- und Standortentwicklung hin: «Die Aufgaben der Generis AG bei der Führung der RSE-Geschäftsstelle und ihre Rolle bei RSE-Projekten, wie beim Verein ITS, sind im Gesetz klar geregelt. Es besteht kein Interessenkonflikt.»
Das lasche RSE-Gesetz
Das erwähnte RSE-Gesetz sieht tatsächlich praktisch keine Einschränkungen vor. Dort steht unter anderem: «Die Geschäftsstelle darf mit Zustimmung des Regierungsrates von der entsprechenden Trägerschaft Aufträge zur Leitung oder Sachbearbeitung von Vorhaben übernehmen, die ausserhalb ihres Grundauftrages liegen.»
Dieser Grundauftrag lautet wie folgt: Die Geschäftsstelle ist «Anlauf-, Informations- und Beratungsorgan zwischen Verwaltung und Leistungsempfängern» und führt die «Administration und Überwachung der Realisierung der geförderten Initiativen, Programme und Projekte».
Was «ausserhalb ihres Grundauftrags» bedeutet, wird nicht genauer definiert. Einzige Einschränkung im Gesetz: «Die Geschäftsstelle darf nicht selbst als Trägerin des Vorhabens auftreten oder dieses in eigenem Namen durchführen.»
Nun ist Patrick Schenk, der Leiter der RSE-Geschäftsstelle, auch Projektleiter des mit RSE-Geldern subventionierten Projekts «Energieleuchttürme». Darf er das, wenn er diese Projektleitung nicht als RSE-Geschäftsleiter, sondern als Generis-Mitarbeiter übernimmt?
Der zuständige Regierungsrat, Volkswirtschaftsdirektor Ernst Landolt, sagte bereits gegenüber dem «Tages-Anzeiger», er sehe in diesen Strukturen kein Problem. Und auch der Bund sieht keinen Handlungsbedarf, obwohl ein Rechtsprofessor Bedenken äusserte.
Nur SP-Kantonsrätin Martina Munz sieht die «ungenaue Abgrenzung» zwischen Projektträger, Geschäftsstelle und Generis problematisch. Sie sagt: «Das Volkswirtschaftsdepartement müsste dafür sorgen, dass diese Grenzen für alle Beteiligten klarer erkennbar sind.» Sie verweist jedoch auch darauf, dass vermutlich vielen Antragstellern das nötige Know-how fehlt, um ein RSE-Projekt selber aufzugleisen. «Hier soll der Kanton Unterstützung leisten. Die unterstützende Organisation soll aber nicht auch die Aufträge für sich in Anspruch nehmen können. Damit erhält sie einen ungerechtfertigten Konkurrenzvorteil. In anderen, grösseren, Kantonen ist das wahrscheinlich besser getrennt.»