Federboas, Netzstrümpfe, Schminke, satter 70s-Glamrock mit einem guten Schuss Punk und zweieinhalb Jahrzehnte Bandgeschichte: Das sind die «Gutter Queens», made in Schaffhausen.
Abbröckelnder schwarzer Nagellack vom letzten Konzert ist der einzige Hinweis auf das zweite Ich von Stefan Brauchli. Ansonsten ist dem gross gewachsenen 48-Jährigen mit den langen, braunen Locken nicht anzusehen, dass er sich auf der Bühne mit einem Rock, glitzernden Strümpfen, hohen Schuhen und viel zu viel Schminke in Jim Juvenile verwandelt, selbsternannte Rockschlampe seit zwei Jahrzehnten, Sänger der «Gutter Queens».
Eine Band, schrill wie die Siebziger, heavy wie die Achziger und laut wie die Neunziger: Zwei Frauen und drei Männer, aber allesamt im feminin-trashigen Outfit, lassen auf der Bühne die Sau raus. Das Spiel mit den Geschlechterrollen soll irritieren. Einmal stieg sogar ein Konzertbesucher mitten im Song auf die Bühne und griff Jim Juvenile in den Schritt, um herauszufinden, ob er ein Mann oder eine Frau sei – und um sich mit dieser Mutprobe ein Bier zu verdienen.
Der Sound der «Gutter Queens» lässt sich am ehesten als Glamrock mit einer guten Dosis Punk beschreiben. «Mötley Crüe», «AC/DC» und «Guns n’ Roses» gehören zu den Einflüssen, auch Vergleiche zu den «New York Dolls» wurden schon gezogen, was die «Gutter Queens», allesamt Fans dieser Glamrock-Ikonen, wohl kräftig gefreut hat. Zweimal konnten sie sogar als Vorband der «New York Dolls» spielen.
Lobpreisung in der Presse
In den Nullerjahren kratzten die «Gossenköniginnen» nicht zu knapp am Durchbruch, tourten durch halb Europa, spielten in Florenz und London und manchmal vor weit über 1000 Leuten, waren im Schweizer Fernsehen zu Gast. Entsprechend euphorisch war die Berichterstattung der Medien in der Heimat der aufsehenerregenden Band: «Der Aufstieg der ‹Gutter Queens› scheint unaufhaltsam, bald werden sie das Hallenstadion füllen», verkündeten die «Schaffhauser Nachrichten», und die «az» jubelte: «‹Gutter Queens› gehören zum Besten, was der Schweizer Musikmarkt zu bieten hat.»
Aktuelle Aufnahmen aus dem Bandraum zeigen: Auch nach einigen personellen Veränderungen sind die «Gutter Queens» ihrem Stil treu geblieben. Schwere, aber präzise Gitarrenriffs und ein Punk-Schlagzeugstil treiben den Sound an, über dem die klare Stimme von Jim Juvenile als zentraler Ballungspunkt beschwört, ausruft und heult.
Von der ursprünglichen Bandbesetzung ist nur noch Jim Juvenile übrig geblieben. Er ist heute dreifacher Familienvater, und statt wie einige seiner musikalischen Vorbilder auf einen frühen Drogentod zuzusteuern, betreut er als Sozialarbeiter Süchtige im Tagesraum an der Fulachstrasse. «Wir spielten damals alle in etwa drei Bands», erinnert er sich an die frühen Neunzigerjahre. 1992 gründete er mit Freunden die Band «Juvenile Crime». Man spielte Songs von «AC/DC» und «Motörhead», bald Eigenes, aber noch keinen Glamrock, «und wir sahen etwas aus wie Velvet Underground».
Heimspiel mit «The Monsters»
Die Lederjacken waren jedoch nur eine vorübergehende Erscheinung, Jim Juvenile gab sich auf der Bühne immer weiblicher. «Zuerst trug ich einen Abfallsack um die Hüfte, bis mir eine Freundin einen richtigen Rock schenkte.» Bald trugen alle Bandmitglieder Frauenkleider und den Namen «Gutter Queens». Mehrere Tonträger entstanden, und spätestens nach der professionellen Produktionsunterstützung durch ein Zürcher Label machte nicht mehr nur der schrille Auftritt, sondern auch der Sound der «Gutter Queens» von sich reden. Für den Durchbruch hat es nie ganz gereicht, doch die Band überstand Jahrzehnte ebenso wie Besetzungswechsel und will vielleicht bald wieder einmal im Studio stehen.
Bis es so weit ist, gibt’s die «Gutter Queens» morgen Freitag endlich wieder einmal im TapTab zu hören und zu sehen – Heimspiel als Vorband der Garage-Punk-Band «The Monsters» aus Bern, die eine sogar noch etwas längere Geschichte hat als die «Gutter Queens». Für die Beschreibung des Stils von «The Monsters» sollen diese hier selbst zu Wort kommen: «Wild Primitive Chainsaw Massacre Teenage Trash Garage Clonedrum Fuzz Rock’n’Roll.»