Die eigene Partei war Urs Hunzikers grösster Gegner

11. Dezember 2016, Mattias Greuter
Urs Hunziker tritt nach 16 Jahren ab. Unser Bild zeigt ihn bei der Stahlgiesserei, wo er in der Freizeit alte Panzer pflegt. Foto: Peter Pfister
Urs Hunziker tritt nach 16 Jahren ab. Unser Bild zeigt ihn bei der Stahlgiesserei, wo er in der Freizeit alte Panzer pflegt. Foto: Peter Pfister

Die FDP wurde nie richtig warm mit Stadtrat Urs Hunziker. Er war nicht linientreu und hielt dem Druck aus der eigenen Fraktion stand. Die Bevölkerung dankte es ihm Mal für Mal an der Urne – ein Rückblick.

Urs Hunziker zieht sich einen Blaumann über und klettert in einen Schützenpanzer 63/73 M113. Zwischen viel grös­seren Kriegsmaschinen mit imposanten Geschützen, die der Verein Museum im Zeughaus in der alten Stahlgies­serei pflegt, wirkt das vergleichsweise kleine, von Panzergötti Hunziker liebevoll gewartete Gefährt fast unscheinbar. Das passt zum Stadtrat, der nicht für aufsehenerregende Auftritte und Projekte, sondern eher als stiller Schaffer bekannt ist – wichtig ist, dass die Maschine läuft. Der Schützenpanzer springt sofort an, als Urs Hunziker den Schlüssel dreht.

Die Notlösung
In seiner gesamten politischen Karriere hat Urs Hunziker wohl nie so viel Staub aufgewirbelt wie mit seiner ersten Wahl im Herbst 2000. Die Chancen standen schlecht für den Freisinn. Er musste es mit drei Bisherigen aufnehmen, und die Kandidatur des 44-jährigen Real- und Informatiklehrers Hunziker ohne politische Erfahrung war für die Partei eine Notlösung: Von den gestandenen FDP-Vertretern wollte sich niemand in einer Kampfwahl mit bescheidenen Erfolgsaussichten «verheizen» lassen.

Doch der Wahlsonntag am 29. Oktober brachte die grosse Überraschung. Nach zwölf Jahren im Amt wurde SP-Stadtrat Werner Widmer abgewählt, mit deutlichem Abstand auf den politischen Newcomer Urs Hunziker. «Die Wahlen enden mit einer Sensation», titelten die «Schaffhauser Nachrichten» und kommentierten: «Er schwafelte und salbaderte nicht einfach drauflos wie bei Politikern üblich, und siehe da, die Wähler honorierten diesen eher bedächtigen Stil.» Die Stadt war überrascht, und Urs Hunziker war es auch. «Ich hatte nicht an eine Wahl geglaubt», sagt er heute.

Schon im Vorfeld seiner ersten Wahl hatte Urs Hunziker der FDP klargemacht, dass sie von ihm nicht immer Linientreue erwarten könne. In einer Partei, die während Urs Hunzikers vier Amtsperioden immer weiter nach rechts rückte und auf Sparsamkeit pochte, führte dies zwangsläufig zu Spannungen.

Der Unerwünschte
Im Wahljahr 2008 wollte die FDP Stadtpräsident Marcel Wenger ersetzen. Eine sehr lange Kandidatensuche innerhalb der Partei machte offensichtlich, dass Urs Hunziker von einflussreichen Kreisen der Partei nicht favorisiert wurde, und an der Parteiversammlung kam es zu einer äusserst knappen Stichwahl zwischen Hunziker und Marcel Sonderegger. Erst im fünften Wahlgang wurde Hunziker auf den Schild gehoben – später schrieben die «SN» von einer «geradezu demütigenden Nomination». Doch damit waren die Querelen noch nicht zu Ende: Hunziker verkündete im Einvernehmen mit der Parteileitung, nur für das Vollamt und nicht für das Stadtpräsidium zu kandidieren. Der ehemalige FDP-Kantonsrat Gerold Meier, einer der schärfsten Kritiker Hunzikers, sprach von einem «hinterhältigen Rückenschuss».

Öffentliche Angriffe aus den eigenen Reihen und nur zögerliche Unterstützung der Partei führten dazu, dass Urs Hunziker die Wahl um nur 126 Stimmen verpasste. «Das Vollamt leichtfertig verspielt», lautete der Titel eines unüblich FDP-kritischen «SN»-Kommentars. Urs Hunziker ärgert sich bis heute über die mangelnde Rückendeckung seiner Partei im Wahljahr 2008. «Die Partei hatte nach einem Besseren gesucht. Man hat mir das Vollamt oder gar das Stadtpräsidium nicht zugetraut, nur für das Halbamt war ich gut genug.» Als kurz darauf die Wahlen für die Halbämter anstanden, wurde Hunziker ohne Gegenkandidat von der Partei nominiert und an der Urne wiedergewählt.

Der Gemächliche
Es wurde wieder ruhig um Urs Hunziker, zu ruhig für politische Gegner. «Mir fällt kein Projekt ein, das er lanciert hätte», sagt der langjährige SP-Grossstadtrat Urs Tanner, im Bildungswesen habe Stillstand geherrscht. Tatsächlich findet sich in den letzten zwei Legislaturperioden keine Vorlage aus dem Bildungsreferat, zu welcher der Stadtrat nicht wegen parlamentarischer Vorstösse oder aufgrund äusserer Faktoren gezwungen war. Bildungskreise und Linke warfen Hunziker Untätigkeit vor.

«Diesen Vorwurf kann ich von mir weisen», sagt Urs Hunziker. Er nennt Beispiele, bei denen eine Vorlage schon fast fertig war, als ein Vorstoss aus dem Parlament kam. In einem anderen Fall habe er beim Kanton einen Prozess ins Laufen gebracht und bei FDP-Grossstadträtin Katrin Hauser-Lauber eine Motion «bestellt».

Auch Kritiker attestieren Hunziker, dass er im Hintergrund durchaus zielorientiert gearbeitet habe, doch der Mann der gros­sen Würfe ist er nicht. Und bei grösseren Projekten hielt sich das Bildungsreferat eher im Hintergrund und überliess den Lead dem Baureferat – nicht nur bei Bauvorhaben wie dem Umbau des Künzleheims, sondern auch bei konzeptionellen Bildungsvorlagen wie der Schulraumplanung.

Als beim Künzleheim nach dem Umbau festgestellt wurde, dass es in einigen Punkten den Bedürfnissen der Bewohner nicht entsprach und für viel Geld nachgerüstet werden musste, prasselte die Kritik auf den Ausführenden, Baureferent Peter Käppler, ein und nicht auf den Auftraggeber, Heimreferent Urs Hunziker. 2012 wurde Käppler abgewählt, Auftraggeber Hunziker hingegen bestätigt.

Der Anti-Politiker
Urs Hunziker ist ein bürgerlicher Politiker im ursprünglichen Sinn des Wortes und passt gut in die politische Mitte: Für die Linke machte er zu wenig und trat zu zögerlich gegen seine Fraktion auf, für die FDP war er nicht linientreu genug. Er blieb bei seiner eigenen Linie und fällte Entscheidungen sachlich statt politisch – was sich im letzten Viertel seiner 16 Jahre im Stadtrat noch verstärkte. Nicht nur in der Exekutive stellte er sich gegen die Fraktion, wo er es für richtig hielt, sondern auch im Kantonsrat, indem er beispielsweise gegen Sparmassnahmen bei der Schule und in der Pflege stimmte.

Als Stadtrat musste er je länger, je häufiger gegen ein Bündnis aus SVP und seiner eigenen Partei kämpfen – erfolglos bei den Schulleitungen, erfolgreich beim Schulhaus Breite. Dass die Bevölkerung sich für das bessere Projekt und gegen die von den Sparpolitikern im eigenen Lager forcierte Variante entschieden habe, sei ein schönes Abschiedsgeschenk, sagt Urs Hunziker. Überhaupt hatte er an der Urne nicht nur bei Wahlen Erfolg: «Ich habe in 16 Jahren nur zwei Abstimmungen verloren.» Die Unterstützung, die Hunziker in der Partei fehlte, erfuhr er von der Bevölkerung. Ein Beispiel dafür und eine Charakterisierung, die bis heute passt, findet sich in einem Leserbrief aus dem Jahr 2004: «Urs Hunziker ist eigentlich ein ‹Anti-Politiker›. Wenn eine Kamera auf ihn gerichtet wird, wirft er sich nicht in Positur und bleckt mit den Zähnen. Wenn ein Mikrofon vor ihm aufgebaut wird, beginnt er nicht endlos zu reden. Stattdessen arbeitet er, zielgerichtet, seriös, gründlich und ohne Aufsehen zu erregen.»

Ein letztes Mal musste Urs Hunziker kürzlich mangelnde Rückendeckung aus bürgerlichen Kreisen erfahren: Der Gewerbeverband hatte ihn bereits zum Nachfolger für das Präsidium designiert, als hinter den Kulissen die Kritik aufkam, er sei ja eigentlich kein Gewerbler. «Ich weiss nicht von wem, und es ist mir auch egal», sagt Hunziker. Als er von der Intrige hörte, warf er sofort das Handtuch. Auf einen weiteren Kampf gegen ein Ränkespiel aus den eigenen Reihen hatte er keine Lust.