Eine grüne Flaniermeile von Salzstadel bis Lindli – diese Idee war vor zehn Jahren weit fortgeschritten und breit akzeptiert. Jetzt kommt sie wieder auf die politische Agenda, eine neue Studie ist in Arbeit.
Wenn Herr und Frau Schaffhauser an den Rhein wollen, ist ihnen eine Strasse im Weg. Immer und überall, vom Kraftwerk bis fast zur Büsinger Grenze. Auf der Höhe der Kammgarn wird der Zugang zum Wasser nach der Abstimmung vom September nicht verbessert, und alte Hoffnungen auf eine Versenkung der Rheinuferstrasse bleiben aus Kostengründen ohnehin ins Reich der Utopien verbannt. Das störte Daniel Böhringer, Gärtner bei Grün Schaffhausen und AL-Grosstadtrat. Im Gespräch mit Gesinnungsgenossen erinnerte er sich daran, dass es einst vielversprechende Pläne gab, die Stadt bei einem anderen Uferstück, weiter oben, näher an den Rhein zu holen.
Böhringer will das Rheinufer vom Salzstadel bis zum Ende des Gaswerkareals vom Verkehr befreien. Stattdessen müssten die Autos über die Buchthalerstrasse und eine noch zu bauende Verbindung am Rande des Gaswerkareals fahren (siehe Bild).
Das Ergebnis wäre ein rund 350 Meter langer Uferstreifen mit immensem städteplanerischem Potenzial. Mit seinem beruflichen Hintergrund schwebt Daniel Böhringer eine grüne Oase vor, eine Parkanlage, die den Schauweckerpark mit dem Lindli verbinden und ergänzen würde, doch es würden sich viele weitere Möglichkeiten für Gastronomie, Sport und Langsamverkehr eröffnen. Schaffhausen hätte wieder ein Rheinufer ohne Mauer und Strasse.
«Die Schaffhauser haben sich schon immer rheinaufwärts orientiert, wenn sie ans Wasser wollten», sagt Böhringer. Schon vor dem Bau des Kraftwerks sei das Rheinufer weiter unten wegen der Industrie nicht attraktiv gewesen. «Im Gebiet vom Salzstadel bis zum Lindli hätte man hingegen viel Platz für alle möglichen Formen der Bespielung, wenn man den Verkehr umleiten würde. Das ist für mich echte Stadtentwicklung.»
Eine alte Vision
Neu ist die Idee von Daniel Böhringer nicht. Vor zehn Jahren war das offizielle Schaffhausen Feuer und Flamme für eine Neugestaltung der unteren Rheinhaldenstrasse ohne Autos. Der Anstoss für das Projekt war nicht aus der Stadt selbst gekommen, sondern aus dem Ausland.
2004 bewarben sich 23 Städte und Gemeinden rund um den Bodensee für die Ausrichtung der Internationalen Gartenschau 2017 (IGA) – ein Riesenevent, der einerseits eine temporäre Leistungsschau des Gartengewerbes, andererseits einen millionenschweren Impuls für bleibende bauliche Entwicklungen darstellt. Für die letzte IGA im Jahr 2003 baute die Stadt Rostock am Hanseufer eine 6000 Quadratmeter grosse Parkanlage, die heute eine der Hauptattraktionen der Stadt darstellt.
2005 erhielten die Bodenseegemeinden die provisorische Zusage für die IGA 2017. Von Büsingen bis zum Rheinfall wurde ein «giardino lungo» geplant, ein langer Garten mit Grünanlagen, Eventplattformen im Rhein, zusätzlichen, temporären Brücken ans Zürcher Ufer, einem neu gestalteten Kammgarnhof und mehreren Massnahmen für den verbesserten Zugang zum Fluss.
«Zurück an den Rhein»
Die Euphorie war gross und floss in eine Vorlage ein, welche der Stadtrat dem Parlament im September 2007 unterbreitete. «Schaffhausen will an den Rhein zurück!», schrieb der Stadtrat, Baureferent Peter Käppler und Stadtpräsident Marcel Wenger sprachen von einer «grossen Chance für die Region».
In Schaffhausen hätten sich die Hauptattraktionen der IGA unter anderem auf das Gebiet der Rheinhaldenstrasse konzentriert, als bleibende Aufwertungen wären nach der Schau ein schönerer Schauweckerpark (ohne Skulptur), eine durchgehend optimierte Lindlipromenade und ein neu bebautes Gaswerkareal geblieben. Eine Studie des Architekturbüros Wüst Rellstab Schmid zeigte die Möglichkeiten auf, die Strasse vom Salzstadel bis zum Gasballon rückzubauen, eine später von der Stadt erworbene Diplomarbeit von Landschaftsarchitektin Catherine Blum entwarf ebenfalls eine autofreie Uferzone. Das Projekt fand unter dem Titel «Verkehrsarme Fischerhäuser-/Rheinhaldenstrasse mit Spange Rheinhaldenstrasse – Buchthalerstrasse» Eingang ins Agglomerationsprogramm, mit höchster Prioritätsstufe, Realisierungshorizont bis 2014 und geschätzten Infrastrukturkosten von 4,5 Millionen Franken. Die durch die «Spange» ermöglichte Park- und Freizeitanlage am Rhein wäre in Schaffhausen die grösste bleibende Veränderung gewesen, wenn die IGA 2017 in der Bodenseeregion stattgefunden hätte.
Aus IGA wird Masterplan
Wäre und hätte: Es kam alles anders. Im Herbst 2007 entzogen die Veranstalter der Region Bodensee überraschend die Zusage, die IGA 2017 wird in Berlin stattfinden. Nach der Euphorie kam der Kater, der Stadtrat zog die Vorlage zurück. Immerhin wollte Schaffhausen nicht alle Projekte beerdigen. In der Folge wurde mit neuem Elan ein Mitwirkungsprozess gestartet, aus dem der «Masterplan Rheinufer» hervorging – mit den bekannten, bescheidenen Ergebnissen. Auch diese waren eine Motivation für Daniel Böhringer, nach einer Möglichkeit zu suchen, die Stadt näher an den Rhein zu bringen.Er erinnerte sich an die euphorisch verkündeten Pläne im Zusammenhang mit der IGA und beschloss, die «Spange», welche im «Masterplan» kein Thema mehr gewesen war, wieder auf das politische Parkett zu bringen.
Ob von Schauweckerpark bis Gaswerkareal wirklich eine neue, attraktive Uferlandschaft möglich wird, steht allerdings noch in den Sternen. Böhringer hat die Idee in die Fachkommission Bau des Grossen Stadtrates eingebracht. Was dort besprochen wurde, ist noch geheim, doch der Stadtrat bestätigt, dass ein neuer Prozess angestossen wurde: «Auf Anregung der Fachkommission Bau hat der Stadtrat die Stadtplanung mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie für mögliche alternative Strassenführungen Buchthalerstrasse/Fischerhäuserstrasse beauftragt.» Die erwähnte Studie aus dem Jahr 2007, die bereits aufgezeigt hatte, dass die «Spange» und damit ein autofreies Ufer möglich sind, wird in die Arbeit der Stadtplanung einfliessen, nach Vorliegen der neuen Machbarkeitsstudie will der Stadtrat die Öffentlichkeit informieren.
Möglichkeiten und Hindernisse
Doch selbst wenn sich der Stadtrat nach Jahren der kleinen Schritte an diesen grossen Wurf traut, wäre es noch ein langer Weg mit vielen Hindernissen bis zum autofreien Ufer: Der Kanton hätte ein Wort mitzureden, Anwohner, die von höherem Verkehrsaufkommen betroffen wären, könnten Einsprachen schreiben und müssten möglicherweise für die Wertminderung ihrer Liegenschaften entschädigt werden. Vor allem aber müssten das Stadtparlament und die Stimmbevölkerung den Kosten zustimmen. Bis dahin bleibt die grüne Flaniermeile am Rhein eine Vision.
Der Zeitpunkt für einen neuen Anlauf ist jedoch günstig: Nach der Zusammenlegung der Tiefbauämter muss ohnehin ein Nutzungsplan für das Gaswerkareal entstehen – vielleicht mit einer Verbindungsstrasse zwischen Buchthalerstrasse und Rheinhaldenstrasse. Der alte Traum von der autofreien Flaniermeile am Rhein würde dadurch endlich möglich. Die Pläne aus dem Jahr 2007 liegen in der Schublade bereit.