Die Stadt hat auf der Hochstrasse beim Steingut-Schulhaus das Tempo gedrosselt und einen zusätzlichen Fussgängerstreifen platziert. Doch Lehrer und Quartierverein fühlen sich übergangen.
Was die Stadt hier gemacht habe, ergebe «überhaupt keinen Sinn», schimpft Blanca Tresch. Die baulichen Neuerungen auf der Hochstrasse im Bereich des Steingut-Schulhauses, welche die Stadt als Aufwertung betrachtet, sind für die verärgerte Frau des Quartiervereins Hochstrasse-Geissberg eine «Verschlimmbesserung». Und Tresch ist nicht allein. Auch die Lehrerschaft des Schulhauses ist mit dem Resultat der Arbeiten alles andere als zufrieden. Die Lehrerin Ariane Karrer (im Bild) sagt, die Verkehrssituation sei für die Schülerinnen und Schüler heute gefährlicher als vor der Aufwertung. Dabei sind es gerade Quartierverein und Schule, die schon mit der alten Situation jahrelang unzufrieden waren.
Der Quartierverein fordert seit geraumer Zeit, dass der Strassenabschnitt neben dem Schulhaus in eine 30er-Zone verwandelt wird. Viele Jahre blieb es beim Wunsch. Dann kam Anfang 2016 plötzlich Bewegung in die Sache. Die Stadt musste den Belag sanieren – und entschied sich, die Chance beim Schopf zu packen.
Unter der Leitung des Tiefbauamtes wurde ein Projekt ausgearbeitet, im Februar 2016 wurde die Planauflage im Amtsblatt publiziert, im März rollten die Bagger an. Neben dem neuen Belag gab es einen zusätzlichen Fussgängerstreifen und einen rund 200 Meter langen Abschnitt, wo die Fahrgeschwindigkeit von 50 auf 30 km/h gedrosselt wurde.
Das Problem aus Sicht der Anwohner: Ein bereits bestehender Fussgängerstreifen wurde von der Schule weg versetzt. Ein Augenschein vor Ort zeigt, dass die Schüler heute der Einfachheit halber 20 Meter neben dem Streifen über die Strasse gehen.
Das zweite Problem: Tempo 30 gilt nur bis in die Hälfte des Altbau-Schulhauses. Der eine Zugang zum Schulgelände befindet sich knapp daneben in der 50er-Zone. «Wieso hat die Stadt den 30er-Bereich nicht einfach 30 Meter weitergezogen?», fragt sich Ariane Karrer.
Viele Begehrlichkeiten
Ihre Einwände hätten Tresch und Karrer gerne eingebracht, bevor gebaut wurde. Sie erfuhren vom Bauvorhaben aber erst wenige Wochen vor Baustart, da war es bereits zu spät. «Das Tiefbauamt hat auf unser Nachfragen gesagt, wir seien ja bereits zu einem früheren Zeitpunkt schriftlich eingeladen worden, uns zu äussern. Wir haben aber nie etwas gehört», sagt Ariane Karrer. Auch Blanca Tresch hat keine Post bekommen. «Der Quartierverein ist das Bindeglied zwischen den Anwohnern und den Behörden. Die Stadt hätte uns ins Boot holen müssen», sagt sie.
Die Stabsleiterin des städtischen Baureferats, Tina Nodari, sagt, beim Projekt handle es sich um einen Kompromiss. Insgesamt hätten die Bedürfnisse von rund zehn Parteien berücksichtigt werden müssen. Neben dem Tiefbauamt seien unter anderem die Stadtplanung, die Stadtpolizei, Grün Schaffhausen, die Verkehrsbetriebe Schaffhausen (VBSH), SH Power, die Fachstelle Lärm und weitere Beauftragte involviert gewesen.
Nodari sagt, bei der Planung der Zone sei nicht primär die Schule im Fokus gestanden: «Wir wollten mit der Verlangsamung des Verkehrs und dem neuen Fussgängerstreifen auch helfen, ein neues Zentrum an der Hochstrasse zu entwickeln.» Um die Geschäfte rund um die frühere Post und den Denner könnte sich künftig ein Quartierkern entwickeln, glaubt Nodari.
Deshalb sei besagter Fussgängerstreifen von der Schule weg verschoben worden. Ein weiterer Grund sei die Ausfahrt eines geplanten Parkhauses neben der Schule, welche direkt auf den alten Fussgängerstreifen geführt hätte. Und schliesslich sei der frühere Übergang eigentlich zu schlecht beleuchtet gewesen. «Wir waren von Gesetzes wegen angehalten, ihn näher an einen Kandelaber zu rücken.»
Dass die Zone mit reduzierter Geschwindigkeit auf Höhe des Schulhauses beginnt, findet auch Tina Nodari nicht optimal. Es habe aber keinen anderen Weg gegeben. Die Hochstrasse sei bis zum Schulhaus bereits in einer früheren Etappe saniert worden. «Für diesen Abschnitt hatten wir kein Budget mehr.»
Ausserdem sei es nicht möglich gewesen, die Zone mit Geschwindigkeitsbegrenzung 30 zu verlängern, auch weil der städtische Bus sonst den Fahrplan nicht mehr einhalten könnte.
Der Bus mag kein Tempo 30
Martin Gugolz, Betriebsleiter der Verkehrsbetriebe Schaffhausen (VBSH), bestätigt dies: «Im Abendverkehr haben wir im 20-Minuten-Takt nur noch einen Bus für die Strecke Bahnhof–Krummacker zur Verfügung. Fahrzeitmässig haben wir dort die kritische Limite erreicht.» Die VBSH würden sich gegen Mehrkosten wehren, wenn ein zusätzlicher Bus eingesetzt werden müsste, nur um die Umlaufzeit zu kompensieren. Gugolz hält aber auch fest, dass die Länge des Tempo-30-Abschnittes bereits festgelegt gewesen sei, als die VBSH konsultiert worden seien.
Tina Nodari sagt abschliessend, die einzige Alternative zum umgesetzten Projekt wäre gewesen, lediglich den Belag zu sanieren. Das hätte erst recht nichts gebracht. Dennoch gesteht sie ein, es sei ein Fehler gewesen, das Quartier nicht aktiv miteinzubeziehen. Frühere Aussagen des Tiefbauamts, Quartierverein und Schule seien angeschrieben worden und hätten wissen müssen, dass sie sich äussern können, nimmt sie zurück: «Wir haben niemanden angeschrieben. Das müssen wir auf unsere Kappe nehmen.»
Aus diesem Fehler wolle das Tiefbauamt lernen und künftig einmal im Jahr alle Quartiervereine einladen und ihnen das Bauprogramm des kommenden Jahres vorstellen. «Sobald das Budget im Grossen Stadtrat abgesegnet ist, werden wir Einladungen verschicken», sagt sie.