Die Hallen bleiben leer

10. November 2016, Romina Loliva
Die Hallen bleiben leer. Foto: Peter Pfister

Die IUN akzeptierte die politischen Bedingungen und den Kaufpreis für die Kammgarn West nicht. Haben Stadt und Kanton schlecht verhandelt? Und was soll nun mit dem Areal geschehen?

Die Neugestaltung der Kammgarn West ist ein ambitioniertes Projekt. 1’600 Quadratmeter an bester Lage am Rhein stehen seit der Schliessung der «Hallen für Neue Kunst» leer, der Hof wird lediglich als Parkplatz genutzt. Darum hat die Stadt grosse Pläne: Kultur, Gastronomie und die Freihandbibliothek sollen im Gebäude Platz finden, und der Hof soll in eine Grünanlage mit Tiefgarage verwandelt werden. Das alles für einen zweistelligen Millionenbetrag, der die Stadtkasse nicht belasten würde, hiess es noch im Juni 2015. Der Stadtrat präsentierte damals auch schon sein Ass im Ärmel: Zwei der fünf Stockwerke des Westflügels sollten für rund zehn Millionen verkauft werden. Die Käuferin wurde ebenfalls bekannt gegeben: Die IUN World GmbH unterschrieb eine Kaufabsichtserklärung und verkündete, dass in der Kammgarn eine Hochschule bald ihre Tore öffnen werde.

Seit Montag weiss man, dass daraus nichts wird. Der Stadtrat teilte mit, dass die Verkaufsverhandlungen eingestellt wurden (die «az» berichtete am Montag 7. November online), weil die Erwartungen der Stadt und der IUN zu weit auseinanderliegen würden, wie Stadtpräsident Peter Neukomm erklärte. Die Gerüchteküche brodelte schon seit längerer Zeit, und nun ist klar: Die IUN ist nicht bereit, den vollen Marktpreis zu zahlen, was die Stadt dazu bewogen hat, das Angebot zurückzunehmen. War der Stadtrat zu optimistisch? Welchen Betrag wollte die IUN überhaupt zahlen? Sowohl der Stadtrat wie auch die IUN bedauern, dass der Deal nicht zustande kommt, geben aber keine Auskunft über die Details der Gespräche. Klar ist, dass zusätzlich zu den unterschiedlichen Preisvorstellungen auch die politischen Rahmenbedingungen mit den unternehmerischen Absichten der IUN kollidierten. Der Stadtrat wollte auf keinen Fall in eine zum Scheitern verurteilte Volksabstimmung gehen und versuchte sich abzusichern: Vorkauf- und Rückkaufsrecht und die Bindung an den amtlichen Schätzungswert waren Bedingungen, die die IUN nicht akzeptieren wollte.

Schlecht verhandelt?
IUN und der Stadtrat waren aber nicht die einzigen Parteien in den Verhandlungen rund um die «Hochschule Schaffhausen». Der Kanton handelte über die Wirtschaftsförderung eine Leistungsvereinbarung mit der IUN aus, die dem Konzern drei Millionen Franken Subventionen zusicherte. Der Abschluss der Leistungsvereinbarung wurde Anfangs Oktober bekannt gegeben und enthielt keine Klausel in Bezug auf den Standort der Hochschule. Hat der Kanton mit dieser Vereinbarung die Verhandlungsposition der Stadt möglicherweise geschwächt?

Peter Neukomm sagt, dass die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kanton eng gewesen und gut verlaufen sei: «Sowohl die Regierung wie auch der Stadtrat haben dasselbe Ziel verfolgt, uns ist es aber nicht gelungen, die Ansiedlung der Hochschule mit dem Verkauf der Stockwerke in der Kammgarn zu verknüpfen.» Rein rechtlich habe man das auch nicht tun können, erklärt er. Volkswirtschaftsdepartementssekretär Daniel Sattler bestätigt die Aussage: «Die Leistungsvereinbarung wurde mit der Hochschule Schaffhausen AG abgeschlossen, die für den Betrieb der Hochschule verantwortlich ist. Die Verkaufsverhandlungen wurden jedoch mit der IUN World GmbH geführt. Das sind zwei unterschiedliche Gesellschaften.» Man hätte demnach die Leistungsvereinbarung nicht vom Kauf abhängig machen können. Was auch nie die Absicht der Regierung gewesen sei, wie Sattler meint: «Die Regierung hat sich immer wohlwollend zum Standort Kammgarn geäussert. Dem Kanton ging es aber primär um die Ansiedlung einer Hochschule.» Die Leistungsvereinbarung sei ein positiver Schritt in diese Richtung gewesen. Sowohl Sattler wie auch Neukomm weisen darauf hin, dass man die IUN nicht zwingen könne, gewisse Bedingungen zu akzeptieren.

Zwischennutzung gefordert
Der Plan, einen Teil der Kammgarn zu verkaufen, gefiel längst nicht allen in Schaffhausen. Die JUSO und die AL waren die Ersten, die sich entschieden gegen den Verkauf stellten, verschiedene SP-Exponentinnen und -Exponenten äusserten sich ebenfalls kritisch dazu. Zudem wurde die Frage nach einer Zwischennutzung der Liegenschaft aufgeworfen. Diese Stimmen werden nun wieder laut. AL-Grossstadträtin Bea Will macht keinen Hehl daraus, dass sich die AL über die gescheiterten Verkaufsverhandlungen freut: «Ja, wir finden das gut», sagt sie. «Auf den ersten Blick sah alles verlockend aus, bei genauerer Betrachtung musste aber auch der Stadtrat einsehen, dass der Verkauf keine schlaue Idee war.»

Die AL fordert nun, dass das Kammgarnareal eine Art Campus werden soll, wie Bea Will erklärt: «In der Kammgarn könnten Kultur, Bildung, Wirtschaft und Wohnraum koexistieren. Der Kanton und die Stadt sollen prüfen, ob die Pädagogische Hochschule doch noch in die Kammgarn einziehen kann. Wir haben jetzt die Chance, etwas Einzigartiges für unsere Stadt zu schaffen.» Zudem setze sich die AL dafür ein, dass die Räumlichkeiten rasch für eine Zwischennutzung zur Verfügung gestellt würden. Damit ist sie nicht allein.

Konzept des Kulturbündnisses
Auch die JUSO hat sich mit einer Mitteilung dafür ausgesprochen, und die Lobby-Organisation «Kulturbündnis Schaffhausen» arbeitet schon länger an einem konkreten Konzept für eine temporäre Nutzung der Kammgarn. Andi Kunz, der eine Arbeitsgruppe zum Thema leitet, meint: «Wir haben Ideen gesammelt und bereits bestehende Projekte aus anderen Städten analysiert. Die temporäre Nutzung von Industriebauten findet in der Schweiz schon statt und könnte in Schaffhausen auch Realität werden.» Peter Neukomm entgegnet, dass die Möglichkeiten einer Zwischennutzung eingeschränkt seien: «Es gibt feuer- und baupolizeiliche Vorschriften zu beachten. Der Stadtrat strebt eher eine definitive Lösung an.» Für das Kulturbündnis ist das dennoch kein Hindernis, wie Kunz kommentiert: «Natürlich muss man sich an die Vorgaben halten, aber das Gebäude über Jahre leer zu lassen, wäre sehr schade.»

Zentrale Stadtverwaltung?
Derweilen prüft die Stadt mit einer Machbarkeitsstudie, ob die Stadtverwaltung in die Kammgarn umziehen könnte. Die Nutzung von zwei Stockwerken für die Freihandbibliothek und für Kultur- und Gastrobetriebe ist weiterhin geplant. Deutlich wurde auch, dass für die Stadt die Sanierung des Gebäudes mit einer Vorfinanzierung durch einen privaten Investor nicht realistisch ist: «Darum müssen wir das weitere Vorgehen nochmals anschauen und allenfalls neu ausrichten», erklärt Stadtpräsident Neukomm.