FCS-Ultras attackierten Winti-Fans auf der Breite

6. Oktober 2016, Marlon Rusch
Fans des FC Schaffhausen. Foto: Jérôme Ehrat

Teilweise vermummte FCS-Anhänger stürmten vor zwei Wochen auf einen Tross Winterthur-Fans los. Die Schaffhauser Polizei setzte Pfefferspray ein, ein Fan wurde verletzt. Hat die Polizei die Situation falsch eingeschätzt und unverhältnismässig reagiert? Und verharmlost der FC Schaffhausen sein Fanproblem?

Kurz vor Abpfiff – noch führte der FC Schaffhausen mit 2 zu 1 gegen den Rivalen aus der Eulachstadt – verliessen mindestens ein gutes Dutzend Schaffhauser Ultras das Breitestadion und brachten sich oben bei der Hintersteig versteckt in Stellung. Die Polizei spricht von rund 40 teilweise vermummten Personen. Ihr Ziel: den Wintis auf die Fresse geben, die über die Hintersteig zum Bahnhof gelangen wollten.

Schaffhausen gegen Winterthur, das Spiel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem echten Hassderby entwickelt. Immer wieder sei es zu Spannungen gekommen, sagt der Geschäftsführer des FC Winterthur, Andreas Mösli. Er war hautnah mit dabei, als die FCS-Ultras heute vor zwei Wochen auf den Winterthurer Fanzug prallten. Die Polizei, so Mösli, sei schlecht vorbereitet gewesen, habe es versäumt, die Schaffhauser Ultras auf Distanz zu halten. Diese hätten die Winterthurer regelrecht attackiert. Dann sei die Polizei unverhältnismässig mit Pfefferspray eingeschritten. Dutzende Winti-Fans hätten vom Reizgas abgekriegt, einer davon, das bestätigt auch die Polizei, musste ambulant behandelt werden.

Ein FCS-Fan und Szenekenner, der auf der anderen Seite stand, nur wenig abseits der Schlägerei, beschreibt die Szenerie anders: Zwei der Seinen hätten sich mit dem gewaltbereiten Kern des FC Winterthur während dem Spiel abgesprochen, sich quasi zur Schlägerei verabredet. Sie hätten es dabei nicht auf die normalen Winti-Fans abgesehen. Nach einem ersten Gerangel seien eine Handvoll Polizisten dazwischengegangen und gleich von den Winterthurern attackiert worden. Später, auf Höhe des Backpackers «Crossbox», ganz unten an der Hintersteig, hätten die FCS-Ultras nochmals attackieren wollen. Weil mittlerweile aber zu viele Polizisten vor Ort gewesen seien, hätten die Schläger davon abgesehen.

Kein «Hochrisikospiel»
Bis jetzt wusste die Öffentlichkeit von all dem nichts. Die Polizei hat sich entschieden, keine Medienmitteilung zu verschicken. Gemäss Polizeisprecher Patrick Caprez sollte den gewaltbereiten Fans keine Plattform geboten werden, auf der sie ihr «Heldentum» zelebrieren können. Eine berechtigte Überlegung, findet der Szenekenner. Mit Meldungen von verprügelten gegnerischen Ultras brüste man sich in der Kurve. Und in diesem Fall hätten die Wintis ja ziemlich «auf den Sack bekommen».

FCW-Geschäftsführer Andreas Mösli glaubt an eine andere Überlegung: Die Schaffhauser Polizei sei sich bewusst, dass der Einsatz «in die Hose» gegangen sei. Patrick Caprez will sich zum Einsatzdispositiv der Polizei nicht äussern. Er sagt, es habe sich um einen «geringfügigen Zwischenfall» gehandelt. Er bestätigt aber auch, das Spiel sei im Vorfeld nicht als Hochrisikospiel eingeschätzt und deklariert worden. In den vergangenen Jahren sei es beim Derby in Schaffhausen zu keinen Ausschreitungen gekommen. Diese Einschätzung kritisiert Mösli scharf: Man wisse, dass es nach Spielen zwischen Winterthur und Schaffhausen immer wieder knalle. Darauf müsse die Polizei vorbereitet sein.

Die Rivalität zwischen den beiden Fan-Gruppen bestätigt auch der Szenekenner, der mit der «az» gesprochen hat. Gerade bei einem so intensiven Spiel – Winterthur schaffte nach 0:2-Rückstand in der 87. Minute den Ausgleichstreffer – gingen schon mal die Emotionen hoch. Da könne es immer mal wieder zu Gewalt zwischen den Ultras kommen.

Andreas Möslis Kritik richtet sich aber nicht nur an die Adresse der Schaffhauser Polizei. In erster Linie verharmlose der FC Schaffhausen seine gewaltbereiten Problemfans. Der Verein betone stets, gar keine Problemfans zu haben. Das gehe auch aus «Abspracheformularen» hervor, die die Auswärtsclubs den Heimclubs jeweils vor einem Spiel zukommen lassen müssen. Eines dieser Papiere liegt der «az» vor: «Erwartete Anzahl problematische Gastfans: 0».

In Winterthur haben eine Handvoll dieser angeblich unproblematischen Gastfans seit drei Jahren Stadionverbot. Damals, im Herbst 2013, kam es zwischen FCS-Ultras und Winti-Fans zu einer Schlägerei am Winterthurer Bahnhof.

Der FCS kümmert sich wenig
Die Fan-Beauftragte des FCS, Irene Neuhaus, will sich auf Anfrage nicht zu den Vorfällen äussern. Die Fans seien ihre Freunde, sie denke nicht dran, ihnen in den Rücken zu fallen, sagt sie unwirsch am Telefon. Marco Fontana, der Geschäftsführer des Clubs, gibt zu Protokoll, für Ausschreitungen ausserhalb des Stadions sei die Polizei zuständig, mit der man sich intensiv abspreche. Trotzdem ging Fontana fälschlicherweise davon aus, dass es sich beim Heim-Derby um ein «Hochrisikospiel» gehandelt habe. Der Verein wisse, dass es Problemfans gebe. Das könne er aber nicht beeinflussen. Warum er in den «Abspracheformularen» die Existenz von Krawallmachern leugne, wollte Fontana nicht sagen.

Zum Vergleich: Im Block der rund 140 Winti-Fans marschierten neben Mösli der Sicherheitschef des FC Winterthur, zwei Fanverantwortliche, zwei vom Club angestellte Sicherheitskräfte sowie zwei Szenekenner der Stadtpolizei Winterthur. Das sei Standard bei Spielen gegen Vereine wie den FC Schaffhausen oder den FC Wil, bei denen Probleme vorprogrammiert seien, sagt der FCW-Geschäfts­führer.

Fontana stellt nicht in Aussicht, die Fanbetreuung künftig zu intensivieren. «Wir tun schon relativ viel, um Gewalt zu verhindern», sagt er.