Neonazi will ins Parlament

8. September 2016, Marlon Rusch
Screenshots: Facebook-Profil von Claudio Cantert
Screenshots: Facebook

Ein Kantonsratskandidat der Neuhauser SVP outet sich auf Facebook als Hitler-Fan und ist wegen einschlägiger Drogen- und Waffendelikte mehrfach vorbestraft. Die Parteileitung behauptet, nichts davon gewusst zu haben, und zeigt sich schockiert.

Erstaunlich gelassen reagiert Claudio Gantert, als er mit den düsteren Kapiteln seiner jüngeren Vergangenheit konfrontiert wird. Mit den Verurteilungen wegen diverser Drogengeschichten und illegalen Waffenbesitzes etwa. Oder mit den rechtsradikalen Parolen, die er im Internet verbreitet hat. Er sagt zwar Sätze wie «Das ist kalter Kaffee», «Mit Rechtsextremität habe ich nichts am Hut» oder «Diese Facebook-Einträge sollte ich eigentlich mal löschen». Dann aber erzählt er ungefragt von seinem kurzen Gastspiel als Teenager bei der damaligen Jung­nazigruppe «Rechte Freiheit» und gibt unumwunden zu, dass er noch heute verfassungsfeindliches NS-Material zuhause aufbewahrt. Aus «wissenschaftlichem Interesse». Ehrliche Distanzierung hört sich anders an.

Gantert gibt einem das Gefühl, dass er sich der vollen Tragweite seines Handelns nicht bewusst ist. Dass er nicht realisiert, dass seine unrühmliche Vergangenheit Folgen haben könnte. Der 45-Jährige hat sich nämlich kürzlich eigenhändig in die Öffentlichkeit katapultiert. Er kandidiert auf der Liste der Neuhauser SVP für einen Sitz im Kantonsrat. Ein Flyer mit seinem Konterfei flatterte vergangene Woche in die Haushalte des gesamten Kantons.

Drogen und Waffen
Im Gespräch sagt Gantert, er wolle «die Interessen der Partei durchsetzen». Auf dem Flyer ist zu lesen, er wolle «für einen frischen Wind in unserem schönen Kanton Schaffhausen» sorgen. Aus mehreren Strafbefehlen, die der «az» vorliegen, geht jedoch hervor, dass der Kandidat in den vergangenen Jahren vor allem immer wieder für Ärger sorgte:

Führen eines Motorfahrzeuges in qualifiziert angetrunkenem Zustand (2,5 Promille), fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst, Ungehorsam des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren, mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Kauf und Weitergabe von Kokain und Haschisch), Vergehen gegen das Waffengesetz (Besitz von Schlagring und Kleinkalibermunition). Diese Delikte, begangen zwischen 2008 und 2014, tut Gantert als Kleinigkeiten ab. «Da war höchstens mal ein halber Joint», sagt er. Und das mit den Waffen, das sei ein Versehen gewesen. Das Material wurde zusammen mit einer Pistole bei einer Razzia in der Galerie-Bar am Kirchhofplatz sichergestellt. Gantert amtete damals als Geschäftsführer der Bar, die nach der Razzia von der Gewerbepolizei wegen «hygienisch unhaltbarem Zustand» geschlossen wurde.

«Heil Hitler»
Gemäss Gantert ebenfalls ein Versehen: Posts auf Facebook aus dem Jahr 2014, in denen er etwa einen Tätowierer suchte, der ihm NS-Symbole stechen könnte. In denen er «Heil Hitler»-Parolen verbreitet wegen «sogenannten Secondos», «Arschlöchern», denen er «die Fresse poliert habe». Dazu teilte er einen Videoclip der Rechtsrockgruppe «Stahlgewitter», die eine Wiederauferstehung des Dritten Reiches fordert: «Volksverräter, die werden wir richten!», droht im Lied eine düstere Stimme. Laut Facebook gefällt Gantert «Adolf Hitler» und die «Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei». (Siehe «az»-Titelseite.) «Das war nicht ernst gemeint», sagt Gantert lapidar. Auch die Drohungen nicht, er werde Mitarbeitern des Arbeitsamts «den Kopf abreissen», weil sie ihn nicht nach seinem Gusto behandelt hätten. Gantert ist, das bestätigt er auf Anfrage, seit Jahren nicht arbeitsfähig. Derzeit lebt er von Sozialhilfe.

Konfrontiert mit den Leichen im Keller ihres Kandidaten zeigt sich die Neuhauser SVP-Präsidentin Sara Jucker «schockiert». Die Partei habe nichts von Ganterts Vergangenheit gewusst. Er sei erst seit 2015 Mitglied der SVP, habe sich seither aber an mehreren Standaktionen engagiert. «An der Nominationsversammlung hat er ordentlich vorgesprochen», es habe damals keinen Grund
gegeben, ihn nicht zu nominieren. «Da haben wir einen Fehler gemacht», sagt Jucker. Rechtsradikales Gedankengut könne die Partei genauso wenig unterstützen wie Drogengeschichten.

«Ich werde eh nicht gewählt»
Auch der kantonale SVP-Präsident Pentti Aellig sagt, die Angelegenheit sei «nicht erfreulich». Der Kantonalvorstand habe grundsätzlich ein Vetorecht gegen Nominationen der einzelnen Wahlkreise. Aber bei über 100 Kandidaten, die die SVP für den Kantonsrat nominiert hat (siehe Artikel unten), sei es natürlich nicht möglich, alle zu durchleuchten.

Jucker kündigt an, die Angelegenheit sofort mit Claudio Gantert und der Parteileitung zu diskutieren. Zurückziehen lässt sich die Kandidatur jedoch nicht. Die Stimmzettel sind verschickt.

Gantert selbst rechnet nach eigenen Angaben nicht damit, gewählt zu werden. Er kandidiert auf dem fünften von acht Neuhauser Listenplätzen und sagt von sich selbst, er sei lediglich «Listen­füller».

Pentti Aellig hingegegen sagte erst kürzlich: «Wir haben keine Listenfüller, wir haben nur Kandidaten.»